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US-Militär präsentiert neue Kriegsvorwände gegen Iran
Amerikanische Militärkreise im Irak haben der Presse am Montag erneut angebliche Fundstücke präsentiert, die iranische Waffenlieferungen an den Widerstand beweisen sollen. Im Mittelpunkt standen dabei Kupferscheiben, die für selbstgebaute Sprengsätze mit extrem starker panzerbrechender Wirkung verwendet werden. Es ist längst bewiesen, dass solche Scheiben auch in irakischen Werkstätten produziert werden. Allerdings weisen diese nach Aussagen der US-Militärs kleine Unebenheiten auf, die die Sprengkraft vermindern. Aus der Tatsache, dass die jetzt gefundenen Scheiben außerordentlich präzise gearbeitet sind, wollen die Amerikaner auf eine Herkunft aus dem Iran schließen. Experten verweisen jedoch auf die Tatsache, dass solche Stücke mit entsprechenden Werkzeugmaschinen überall auf der Welt hergestellt werden können.
Als weiterer Fund wurden am Montag Kurzstreckenraketen präsentiert, die im doppelten Boden eines Autos versteckt gewesen sein sollen. Es soll sich um chinesische Produkte handeln, deren Kennzeichen im Iran übermalt wurden - nicht in der Landessprache Farsi, sondern auf Englisch. Nach Auskunft der US-Militärs verfährt man im Iran so mit Waffen, die man weiterverkaufen will. Allerdings geht es dabei um legale Exporte. Warum die Iraner extra ihr Zeichen auf Waffen pinseln, die sie heimlich in den Irak schmuggeln lassen, vermochten die anonymen Militärsprechern den internationalen Journalisten nicht zu erklären. Beobachter interpretieren die jüngste Waffenschau als weiteren amerikanischen Versuch, die Palette der Vorwände für Militärschläge gegen Iran zu bereichern.
Am Montagabend nahmen die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats unter Hinzuziehung Deutschlands in London ihre Beratungen über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Iran auf. Am 21. Februar war ein Ultimatum des Sicherheitsrats abgelaufen, ohne dass Iran die Forderung nach Einstellung aller Arbeiten an der Uran-Anreicherung erfüllt hatte. Vor dem Treffen der 5 + 1 äußerte der russische Außenminister Sergej Lawrow sich besorgt über die Zunahme der Kriegsdrohungen gegen Iran. Namentlich erwähnte er dabei US-Vizepräsident Dick Cheney, der am Wochenende bekräftigt hatte, dass weiterhin "alle Option auf dem Tisch" seien. Russland werde jede Anstrengung unternehmen, um den Atom-Streit mit Iran durch Gespräche zu lösen, sagte Lawrow.
In der jüngsten Ausgabe des Magazins "The New Yorker" berichtet der renommierte Journalist Seymour Hersh, dass beim Generalstab der US-Streitkräfte eine spezielle Planungsgruppe für die Festlegung der Angriffsziele im Iran eingesetzt worden sei. Neben den Atomanlagen seien seit einigen Monaten auch Ziele aufgenommen worden, die mit der angeblichen iranischen Einmischung im Irak in Verbindung gebracht werden könnten. Auf Befehl des Präsidenten könnten jederzeit innerhalb von 24 Stunden Luftangriffe beginnen.
Zur Flankierung der Kriegspläne habe schon vor einiger Zeit eine "strategische Neuorientierung" der US-Politik im Nahen und Mittleren Osten begonnen. Ziel sei die Einbeziehung der arabischen Staaten der Region in eine Einheitsfront gegen Iran sowie eine Eskalation der Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Im Libanon, in Syrien und im Iran fördere und unterstütze die US-Regierung extremistische, militante sunnitische Organisationen. Von zentraler Bedeutung sei dabei die Zusammenarbeit mit dem Saudi-Regime, über dass solche Gruppen finanziert werden, schreibt Hersh.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 27. Februar 2007