Funktionen für die Darstellung

Darstellung:
  • Standard.
  • Aktuelle Einstellung: Druckansicht.

Seitenpfad

Unklarheit über "brasilianischen Vorschlag"

Voreilig berichteten am Mittwoch einige Medien, dass Iran ein brasilianisches Vermittlungsangebot akzeptiert habe, um die festgefahrenen Verhandlungen über sein ziviles Atomprogramm wiederzubeleben.

Ausgangspunkt der Unklarheiten war eine knappe, aus nur vier Sätzen bestehende Meldung auf der offiziellen Website des iranischen Präsidenten. Sie hatte folgenden Wortlaut: „Der venezolanische Präsident Hugo Chavez rief Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der sich in New York befindet, an und tauschte mit ihm Standpunkte über Themen von beiderseitigem Interesse aus. Das Telefongespräch der beiden Präsidenten drehte sich hauptsächlich um Brasiliens Vorschlag zum Austausch von nuklearem Brennstoff. Präsident Ahmadinedschad teilte seine prinzipielle Zustimmung zum Vorschlag des brasilianischen Präsidenten Lula Da Silva mit und rief zur Forsetzung der Gespräche über technische Fragen in Teheran auf. Präsident Chavez sagte Ahmadinedschad, dass Venezuela seine Standpunkte zu internationalen Fragen unterstütze.“

Das erste Problem mit dieser Meldung ist, dass unklar ist, von was für einem brasilianischen Vorschlag die Rede ist. Offiziell und öffentlich liegt keiner vor. Es gibt lediglich Gerüchte und Vermutungen. Die brasilianische Regierung hielt es aufgrund der Meldungen vom Vortag sogar für angebracht, durch einen Sprecher des Außenministeriums ausdrücklich erklären zu lassen, es gebe von ihrer Seite „keinen formalen Plan“.

Indessen lässt das einschränkende Wort „formal“ darauf schließen, dass die Berichte über einen brasilianischen Vorschlag doch nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Offenbar geht es dabei um das seit Oktober vorigen Jahres diskutierte Projekt, schwach – das heißt auf 3,5 Prozent – angereichertes iranisches Uran gegen Brennplatten aus 20prozentigem Uran einzutauschen. Die höhere Anreicherung des Urans soll in Russland vorgenommen werden, die anschließende Herstellung der Brennplatten in Frankreich. Benötigt werden diese für den Betrieb eines Reaktors in Teheran, wo Isotope für die Behandlung von Krebspatienten produziert werden. Der Brennstoff, den Iran Anfang der 1990er Jahre aus Argentinien erhalten hatte, geht voraussichtlich im Laufe dieses Jahres zu Ende.

Den Austausch-Vorschlag hatte die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) gemacht. Iran stimmte „im Prinzip“ zu, forderte aber Verhandlungen über die technischen Details der Transaktion. So etwa über die Menge des von Iran zu liefernden Urans und über die Austauschmodalitäten. Jedes Gespräch darüber wurde jedoch von den USA und der EU abgelehnt. Russland und China schlossen sich, ebenso erstaunlich wie unerklärt, dieser totalen Verweigerungshaltung an.

Dem Plan der IAEA zufolge müsste Iran mit der Ablieferung eines Großteils seiner Vorräte an schwach angereichertem Uran – die Rede ist von 1200 Kilogramm – zunächst in Vorleistung treten. Danach würde bis zur Lieferung der Brennplatten ungefähr ein Jahr vergehen. Iran macht sich jedoch auf Grund negativer Erfahrungen gerade mit der Vertragstreue französischer Unternehmen Sorgen, dass es am Ende betrogen und erpresst werden könnte. Deshalb fordern iranische Politiker einen gleichzeitigen direkten Austausch von Uran gegen Brennplatten, der auf iranischem Boden stattfinden müsse.

Bei dem brasilianischen Vorschlag soll es, unbestätigten Vermutungen zufolge, um die Einschaltung eines für Iran vertrauenswürdigen Staates als Treuhänder gehen. Das iranische Uran soll dort bis zum Austausch gegen die Brennplatten verwahrt werden. In Frage käme dafür in erster Linie die Türkei. Ob Brasilien sich für eine solche Rolle auch selbst ins Gespräch gebracht oder diese Möglichkeit vielmehr ausdrücklich ausgeschlossen hat, wird kontrovers dargestellt.

Ahmadinedschad hat in den Interviews, die er während seines Aufenthalts in New York am Rande der NPT-Konferenz gab, offen gelassen, ob Iran von seiner Forderung nach gleichzeitigem Austausch auf eigenem Boden abgehen könnte. Er sprach lediglich davon, dass sich ein Kompromiss finden lassen könnte und dass Iran dazu „gewisse Vorschläge“ gegenüber „einigen beteiligten Parteien“ gemacht habe. Hauptsächlich geht es Teheran offenbar darum, die westliche Gesprächsverweigerung aufzubrechen und die Aufnahme technischer Verhandlungen über den Austausch-Vorschlag durchzusetzen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. Mai 2010