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Treffen in Genf

Keine Anzeichen für Tauwetter zwischen den Westen und Iran.

Mit sehr unterschiedlichen Erwartungen gehen die Beteiligten in das zweitägige Treffen zwischen dem Iran und den 5+1, das am heutigen Montag in Genf beginnen soll. Die Sechsergruppe besteht aus den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Am Sonntag war noch unklar, ob alle sechs Staaten an der Begegnung teilnehmen werden oder ob es zunächst nur eine Diskussion zwischen dem iranischen Chefunterhändler Said Dschalili und Catherine Ashton geben wird. Die Außenpolitik-Verantwortliche der EU hat ein Mandat der Sechsergruppe für die Leitung der Gespräche.

US-Außenministerin Hillary Clinton wiederholte am Sonnabend gegenüber dem britischen Sender BBC den Standpunkt ihrer Regierung, dass das iranische Atomprogramm an der Spitze der Genfer Tagesordnung stehen müsse. Leicht von der westlichen Routine abweichend räumte Clinton ein, dass Iran grundsätzlich zur friedlichen Nutzung der Kernenergie berechtigt sei. Dieses Recht, einschließlich der Anreicherung von Uran zur Gewinnung von Reaktorbrennstoff, könnte vielleicht in einer nicht näher bezeichneten Zukunft auch von den USA anerkannt werden, stellte die Ministerin in Aussicht. Aber zuvor müsse Iran „das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wiederherstellen“, schränkte Clinton sofort wieder ein, ohne denn Sinn dieser Aussage zu präzisieren. „Iran muss am Verhandlungstisch anerkennen, dass es selbst das Vertrauen langjähriger Unterstützer und Verbündeter verloren hat.“ Die Voraussetzungen dafür seien nicht ungünstig, da die Iraner „mit einer sehr viel nüchterneren Einschätzung, was Isolation bedeutet“, nach Genf kämen. „Wir wissen, dass die Sanktionen im Inneren Irans Wirkung zeigen.“

Iran hat indessen seine Bereitschaft angekündigt, bei dem Treffen in der Schweiz über eine Vielfalt international interessierender Fragen zu diskutieren. Aber Irans Nuklearenergieprogramm, zu dem das Land als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags berechtigt ist, werde in Genf nicht zur Diskussion stehen. Während einer Konferenz in Teheran rief Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Sonnabend die Politiker des Westens auf, „diese einmalige Gelegenheit“, miteinander in einer umfassenden Dialog einzutreten, „nicht zu verschwenden“.

Ebenfalls am Sonnabend bezeichnete Chefunterhändler Dschalili die Rückkehr der westlichen Politiker zu Gesprächen als Ausdruck der Erkenntnis, „dass ihre Strategie zum Scheitern verurteilt ist“. Um produktiv zu verhandeln, müsse der Westen aber auch seine Politik des „doppelten Standards“ aufgeben. In einer schriftlich abgegebenen Erklärung verurteilte Dschalili die Ermordung des Atomwissenschaftlers Madschid Schahriari, der am vorigen Montag bei einem Bombenanschlag in Teheran getötet wurde. Mitverantwortlich dafür seien die westliche „Druckstrategie“ sowie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) und der UN-Sicherheitsrat, der iranische Wissenschaftler in seinen Resolutionen namentlich aufgelistet und mit Sanktionen bedacht hat.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 6. Dezember 2010