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"Sprungbrett für andere Maßnahmen"

Die US-Regierung inszeniert den Schulterschluss mit Russland und China als Teil ihrer aggressiven Strategie gegen Iran

Der US-Regierung ist es erneut gelungen, Russland und China zu einem demonstrativen Schulterschluss gegen Iran zu veranlassen. Das Board of Governors der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) verabschiedete am 18. November zum Abschluss einer zweitägigen Sitzung eine Resolution, die von den „Iran-Sechs“ gemeinsam vorbereitet und eingebracht worden war. Zu dieser Gruppe gehören außer den USA, Russland und China auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien.

Das Board of Governors, eine Art Vorstand der Behörde, tagt regulär fünf Mal im Jahr. Dem Gremium gehören nach einem Schlüssel, der die hoch industrialisierten Staaten stark begünstigt, jeweils 35 der 151 Mitgliedstaaten der IAEA an, die jährlich wechseln. Entgegen einem verbreiteten Missverständnis können auch Staaten, die den Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) nicht unterzeichnet haben, der IAEA angehören. Andererseits halten es viele der 189 Unterzeichner des NPT nicht für zweckmäßig oder erforderlich, der IAEA anzugehören.

Zur Zeit sind folgende Staaten im Board vertreten: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Bulgarien, Kanada, Chile, China, Kuba, Tschechien, Ekuador, Ägypten, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Jordanien, Südkorea, Mexiko, Niederlande, Niger, Portugal, Russland, Saudi-Arabien, Singapur, Südafrika, Schweden, Tunesien, Vereinigte Arabische Emirate, Großbritannien, Tansania und USA.

Noch während der Sitzung hatten sich der Sechsergruppe zwölf weitere Staaten als Ko-Sponsoren der Resolution angeschlossen: Australien, Belgien, Bulgarien, Kanada, Tschechien, Ungarn, Italien, Japan, Niederlande, Portugal, Singapur und Schweden. Damit stand schon vor der Abstimmung eine einfache Mehrheit fest, die zur Annahme ausgereicht hätte.

In der Vergangenheit gab es eine ungeschriebene Regel, dass für die Entscheidungen des Board grundsätzlich ein Konsens, also die Zustimmung sämtlicher vertretener Länder, angestrebt wurde. Entsprechend anstrengend gestaltete sich manchmal das Formulieren von Kompromissen. Im Falle Irans fand erstmals am 24. September 2005 eine Kampfabstimmung statt, als es um die Feststellung ging, dass Irans angebliche Verstöße gegen den NPT "in die Zuständigkeit des UNO-Sicherheitsrats" fallen. 22 der 35 im Board vertretenen Staaten stimmten damals der Resolution zu, zwölf (darunter Russland und China) enthielten sich, und nur Venezuela votierte dagegen.

Gegen die am 18. November angenommene Resolution stimmten Kuba und Ekuador; Indonesien enthielt sich. Das bedeutet, dass nicht nur die zur Zeit im Board vertretenen fünf arabischen Staaten, sondern auch Brasilien für die Verurteilung Irans gestimmt haben. Brasilien hatte, damals noch unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, im vorigen Jahr gemeinsam mit der Türkei eine vermittelnde Rolle im Streit um das iranische Atomprogramm zu spielen versucht.

In der Entschließung des Board of Governors ist die Rede von „tiefer und zunehmender Besorgnis über die ungelösten Fragen hinsichtlich des iranischen Atomprogramms, einschließlich jener Punkte, die aufgeklärt werden müssen, um die Existenz einer möglichen militärischen Dimension auszuschließen“. Iran wird aufgefordert, „sich ernsthaft und ohne Vorbedingungen auf Gespräche einzulassen, die darauf abzielen, das internationale Vertrauen in die ausschließlich friedliche Natur seines Atomprogramms wiederherzustellen“.

Außerdem solle Iran der IAEA „Zugang zu allen relevanten Informationen, Dokumentationen, Anlagen, Material und Personal“ gewähren. Gemeint ist ein generelles und völlig beliebiges Zugangs- und Befragungsrecht im gesamten Land, wie es die Inspektoren im Irak vor dem US-amerikanischen Überfall im März 2003 hatten. Das entspricht jedoch weder dem NPT und dem zwischen Iran und der IAEA geschlossenen Zusatzabkommen (Safeguards Agreement) noch den Kompetenzen der Behörde, die auf die Kontrolle des Umgangs mit nuklearem Material beschränkt sind.

Auch für die ebenfalls in die Resolution aufgenommene Forderung, Iran solle ein über das Safeguards Agreement hinausgehendes Zusatzprotokoll einhalten und „prompt“ ratifizieren, gibt es keine rechtliche Grundlage. Auf der Konferenz zur Überprüfung des NPT, die im Mai 2010 stattfand, stellten die vertretenen Staaten mit großer Mehrheit fest, dass die Einhaltung des Additional Protocol keine Verpflichtung, sondern einen freiwilligen Schritt darstellt, der in die Souveränität jedes einzelnen Landes fällt. Eine Reihe von Unterzeichnern des NPT verweigern dem Zusatzprotokoll ihre Zustimmung. Iran hatte 2003 erklärt, das Zusatzprotokoll unterschreiben und sich auch schon vor der Ratifizierung durch das Parlament daran halten zu wollen. Die iranische Regierung zog diese freiwillige Verpflichtung im Oktober 2005 zurück. Anlass war die oben erwähnte Resolution des IAEA-Boards vom 24. September des selben Jahres. Das Parlament hatte den Beitritt zum Zusatzprotokoll bis dahin nicht ratifiziert.

Mit der Formel, man strebe eine „umfassende, ausgehandelte, langfristige Lösung“ an, die „auf der Grundlage von Gegenseitigkeit und einem schrittweisen Vorgehen“ gefunden werden müsse, enthält die Resolution eine zu nichts verpflichtende Verbeugung vor einem russischen Vorschlag, der schon vor mehreren Monaten ins Spiel gebracht, aber bis heute nicht öffentlich definiert wurde.

Die Resolution spricht, auch das ist seit Beginn des Streits vor über acht Jahren eine inhaltsleere Routine, die Versicherung aus, dass man „das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien“ des NPT anerkenne und respektiere, „Erforschung, Produktion und Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke“ zu betreiben. In Wirklichkeit wird dem Iran jedoch unter permanenter Strafandrohung und mittlerweile vier Sanktionsresolutionen des UN-Sicherheitsrats abverlangt, zeitlich unbegrenzt auf zentrale Teile seines zivilen Atomprogramms zu verzichten. Im Widerspruch zu allen Behauptungen, man wolle „Iran an den Verhandlungstisch bringen“, handelt es sich aus Sicht der Sechsergruppe um eine unverhandelbare Forderung.

Im letzten Punkt der Resolution wird IAEA-Generaldirektor Jukija Amano ersucht, zur nächsten Sitzung des Board, die im März 2012 stattfinden wird, eine Einschätzung über die Umsetzung dieser Entschließung vorzulegen. Das ist kein „Ultimatum“, wie hier und da geschrieben wurde, sondern ein rein routinemäßiger Vorgang. Es ist keinerlei ausgesprochene Androhung von Maßnahmen damit verbunden, falls Iran der Resolution nicht folgt.

Im Grunde enthält die Resolution keinen einzigen Punkt von praktischer Bedeutung. Sie dient ausschließlich dem zentralen taktischen Ziel der USA und ihrer Verbündeten, das Bestehen einer geschlossenen Einheitsfront der internationalen Gemeinschaft gegen Iran zur Schau zu stellen oder, richtig gesagt, zu simulieren. Bestehende Widersprüche hinsichtlich der gegenüber Iran zu verfolgenden Politik und unterschiedliche Interessen innerhalb der Sechsergruppe sind damit wieder einmal erfolgreich überspielt worden. Die „internationale Öffentlichkeit“ kann daraus nur die gewünschte – wenn auch sachlich falsche - Schlussfolgerung ziehen, dass Russland und China das westliche Schreckgespenst eines nuklear bewaffneten Iran teilen.

Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark C. Toner, erläuterte auf einer Pressekonferenz am 18. November den Zweck der Resolution aus Sicht seiner Regierung so: „Das war ein starkes Zeichen der Einigkeit seitens der internationalen Gemeinschaft im Anschluss an den Amano-Bericht. Im Wesentlichen sagt sie - die Resolution – aus, dass die internationale Gemeinschaft eines Sinnes ist, was das iranische Atomprogramm angeht. (…) Sie sendet ein sehr wichtiges und klares Signal an Iran aus, dass seine Aktivitäten für die internationale Gemeinschaft unannehmbar sind. In dieser Hinsicht ist es von Bedeutung, dass es sich um eine sehr einmütige Botschaft handelt. (…) Wir glauben, dass die heutige Resolution ein wirksames Sprungbrett für andere Maßnahmen ist, die wir in den kommenden Tagen und Monaten betreiben wollen.“

Dass die Resolution keinen Ruf nach weiteren kollektiven Sanktionen enthält – für die die IAEA übrigens gar nicht zuständig ist – und dass auch keine neuerliche Anrufung des UN-Sicherheitsrats erfolgte, wird in den Mainstream-Medien unsinnigerweise als „Kompromiss“ und als „Zugeständnis an Russland und China“ bezeichnet. „Mit diesem Text verzichtet die IAEA auf ihr schärfstes Mittel, den Fall an den Uno-Sicherheitsrat zu verweisen. Dies sei geschehen, um Russland und China für eine Resolution zu gewinnen, hieß es aus diplomatischen Kreisen.“ (Spiegel Online, 18.11.2011.) In Wirklichkeit liegt der Streit um das iranische Atomprogramm aufgrund mehrerer Beschlüsse des Board of Governors schon seit 2006 in der Zuständigkeit des Sicherheitsrats. Dieser könnte jederzeit zum Thema Iran diskutieren und beschließen, ohne dass es eines nochmaligen Ersuchens der IAEA bedürfte. Tatsächlich ist das UN-Gremium in der Vergangenheit bereits mehrmals so verfahren.

Die neue Einheitsdemonstration der Sechsergruppe kam zu diesem Zeitpunkt einigermaßen überraschend: Das russische Außenministerium hatte sich, seit am 8. November Amanos alarmistischer Vierteljahresbericht zum iranischen Atomprogramm an die Öffentlichkeit gelangt war, in mehreren teilweise scharf formulierten Erklärungen von der westlichen Stimmungsmache abgegrenzt. Noch am 13. November, nur vier Tage vor Beginn der Board-Sitzung, hatte Außenminister Sergei Lawrow erklärt: „Aufgrund der Art, wie dieses Thema sich trotz des Fehlens neuer Erkenntnisse in Israel, den USA und Europa entwickelt hat, gehe ich davon aus, daß diese Kampagne wohl inszeniert wurde, um Leidenschaften in der öffentlichen Meinung anzuheizen und den Boden für die Durchsetzung einseitiger Strafmaßnahmen vorzubereiten.

Wir halten die Schiene der Sanktionen für erschöpft. Alles, was darüber hinausgeht, werden die USA, Europa, Japan, Australien und Kanada allein machen. Wir müssen unsere Bereitschaft zu Verhandlungen bekräftigen, wenn Iran zu kooperieren beginnt. Aber, nochmals: Zusätzliche Bestrafung führt zu nichts. Libyen, Syrien, Iran, Sudan, Elfenbeinküste – überall haben sich unsere westlichen Partner für eine Politik der Konfrontation, der Isolation und des Regimewechsels entschieden. Aber nirgendwo ist Ruhe eingetreten oder in Sicht.“

Die um Amanos Bericht geschürte Hysterie diene, so Lawrow weiter, auch dazu, die sichtbaren Ansätze für eine Verständigung mit dem Iran zu beschädigen und zu zerstören: „Es ist gerade eine Woche her, dass die Iraner erklärten, sie wollten über die anstehenden Themen diskutieren. Das ist definitiv eine Änderung ihrer Haltung. Tatsächlich haben sie es bisher abgelehnt, darüber zu sprechen. Ein wichtiger Umstand ist, daß der stellvertretende Generaldirektor der IAEA, Herman Nackaerts, vor einigen Monaten in den Iran gereist ist, wo man ihm zum ersten Mal den im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor (in Arak) gezeigt hat. Der Prozeß bewegt sich also voran, wenn auch langsam. Wir müssen uns darauf einstellen, daß das Problem nicht über Nacht gelöst werden kann. Die Reaktionen sollten sich nicht an irgendjemandes Wahlkampagnen orientieren. Dies ist ein längerer Prozeß, der keinen Rummel und keine Politisierung verträgt.“ (Interview Lawrows mit russischen Medien am Rande des APEC-Gipfels in Honolulu, 13.11.2011)

Es ist genau das eingetreten, was Lawrow im Herbst 2006 vorausgesagt hatte, als die Sechsergruppe erstmals über die Verhängung von Sanktionen gegen Iran durch den UN-Sicherheitsrat diskutierte: „Ich glaube, bevor alle diplomatischen Mittel erschöpft sind, wären Sanktionen zu radikal.“ (AP, 5.10.2006) Sanktionen würden die diplomatischen Beziehungen zur Auflösung der Konfrontation lediglich komplizieren. (Radio Free Europe/ Free Liberty, 26.10.2006) „Wir können keine Ultimaten unterstützen, die alle in die Sackgasse führen und eine Eskalation verursachen, deren Logik stets zur Anwendung von Gewalt führt.“ (New York Times, 2.9.2006.) „Wir dürfen nicht zulassen, dass eine Situation entsteht, wo die Sechsergruppe und der UN-Sicherheitsrat Entscheidungen treffen, die uns alle in eine Konfrontation mit Iran treiben und die das Nichtweiterverbreitungs-Regime nicht stärken, sondern Ursachen zu seiner Schwächung liefern, und die im Gegenzug emotionale Reaktionen Irans provozieren könnten, indem es seine Zusammenarbeit mit der IAEA einschränkt.“ ( RIA Novosti, 6.10.2006)

Einige Wochen später, am 23. Dezember 2006, stimmte Russland (ebenso wie China) dennoch zu, als der UN-Sicherheitsrat erstmals Strafmaßnahmen gegen Iran beschloss. Inzwischen sind drei weitere Sanktionsresolutionen gefolgt. Die Konfrontation, vor der der russische Außenminister vor fünf Jahren noch weitsichtig und klug gewarnt hatte, ist da. Die von der US-Regierung angestrebte Isolierung Irans ist weitgehend erreicht. Indessen dürfte die Strategie, Iran immer weiter in die Ecke zu treiben, das Land nicht konzessionsbereiter machen.

Am 17. November – die Sechsergruppe hatte sich bereits auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, die Abstimmung im IAEA-Board stand jedoch noch bevor – erläuterte Sergei Lawrow diesen Schritt auf einer Pressekonferenz aus Sicht seiner Regierung: „Die Resolution ist wohlausgewogen und widerspiegelt das kollektive Herangehen der Sechsergruppe, sie gründet auf überprüften Fakten und enthält keine fragwürdigen spekulativen Einschätzungen und Schlussfolgerungen.“ - Noch weiter könnte man sich kaum von der realen Situation entfernen: Es gibt zwischen USA und EU einerseits, Russland und China andererseits, keine kollektive Herangehensweise, so weit es Iran betrifft, ebenso wenig wie es eine gemeinsame Einschätzung der Lage und ein gemeinsames strategisches Ziel gibt. Die Regierungen der USA und ihrer Verbündeten inszenieren den regelmäßig wiederkehrenden großen Schulterschluss mit Russland und China nur als Deckung und – O-Ton! - „Sprungbrett“ für ihre Alleingänge, die von einseitigen Sanktionen bis hin zu permanenten Kriegsdrohungen reichen.

In seiner Ansprache am ersten Tag der Board-Sitzung, am vorigen Donnerstag, hatte IAEA-Generaldirektor Jukija Amano mitgeteilt, dass er dem Iran die Entsendung einer hochkarätigen Delegation („high-level team“) vorgeschlagen habe, „um die im Anhang – seines Berichts vom 8. November – enthaltenen Punkte zu klären“. Er hoffe, dass ein passender Termin bald vereinbart werden könne. Eine entsprechende Botschaft habe er am 2. November an den Leiter der iranischen Atomenergie-Organisation, Fereydoon Abbasi, geschickt und damit eine Einladung angenommen, die ihm dieser am 30. Oktober brieflich übermittelt hatte.

Was Amano in seiner Rede verschwieg, steht in einem Protestschreiben, das Irans Botschafter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh, ihm vor Beginn der Board-Sitzung übergeben hatte: Auf den Brief des Generaldirektors vom 2. November hatte Soltanieh einen Tag später geantwortet. Er hatte darin den iranischen Wunsch mitgeteilt, die Delegation der Atombehörde so bald wie möglich, auf jeden Fall noch vor der Sitzung des Board of Governors, empfangen zu können. Bis dahin möge Amano darauf verzichten, „irgendwelche Materialien oder Dokumente vor Vervollständigung und Abschluss der Untersuchung zu verbreiten“. Das entsprach im Übrigen auch einem Wunsch, den Russland und China zuvor mit einem gemeinsamen Schreiben an Amano herangetragen hatten.

Durch Amanos Bericht und die Resolution des Board ist das ohnehin hochproblematische Klima für den geplanten Besuch einer IAEA-Delegation von vornherein zusätzlich vergiftet. Alle Aussagen iranischer Politiker betonen übereinstimmend, dass man das Vorgehen des Generaldirektors als feindselig und von der US-Regierung gelenkt interpretiert. Als Vorbote des künftigen iranischen Verhaltens könnte sich die Entscheidung erweisen, der zweitägigen Konferenz über die Schaffung eines atomwaffenfreien Nahen und Mittleren Ostens fernzubleiben, die am Montag in Wien begann. Amano hat, im engsten Zusammenspiel mit der US-Regierung, schon vor einiger Zeit angekündigt, dass er das Thema der israelischen Atomwaffen so weit wie möglich aus der Konferenz heraushalten will. Zur Begründung der Entscheidung, diese Veranstaltung zu boykottieren, sagte Soltanieh am Sonntag: „So lange, wie der Generaldirektor der IAEA doppelte Standards auf verschiedene Themen anwendet, einschließlich Syriens und des zionistischen Regimes, werden solche Konferenzen nichts erreichen.“ So lange Israel nicht dem NPT beitritt und seine nuklearen Aktivitäten unter die Aufsicht der internationalen Atombehörde stellt, gebe es keine Hoffnung für die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in der Region.

Dass Iran sich angesichts geplanter neuer Sanktionen und permanenter Kriegsdrohungen Israels – die noch niemals vom UN-Sicherheitsrat diskutiert, geschweige denn gerügt wurden – zu irgendwelchen Zugeständnissen bereit erklären könnte, ist extrem unwahrscheinlich. Unter den derzeitigen Verhältnissen ist im Gegenteil damit zu rechnen, dass Iran sich zur Reduzierung seiner Zusammenarbeit mit der IAEA entschließt. Parlamentspräsident Ali Laridschani hat angekündigt, dass sich die Volksvertretung bereits in der laufenden Woche mit dem Thema beschäftigen werde. Während einer Sitzung sagte Laridschani am Sonntag: „Dem Parlament scheint es erforderlich, die Zusammenarbeit mit der Behörde zu überprüfen, weil sie mit ihrem neuerlichen Verhalten gezeigt hat, dass Kooperation oder Nicht-Kooperation für ihre Entscheidungen, die in jedem Falle unprofessionell sind, keinen Unterschied machen.“

Laridschani ist einer der fähigsten Diplomaten seines Landes und war von August 2005 bis Oktober 2007 der iranische Chefunterhändler im Atomstreit. Seine Äußerungen drücken eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit der als zu nachgiebig kritisierten Politik gegenüber der IAEA und der Sechsergruppe aus. Ein Hauptziel dieser Kritik ist Präsident Mahmud Ahmadinedschad, dessen Außenpolitik – verblüffend angesichts der westlichen Hetzkampagnen gegen ihn – im eigenen Land von vielen als zu versöhnlich wahrgenommen wird.

Außenminister Ali Akhbar Salehi sah sich am vorigen Mittwoch, noch vor der Sitzung des IAEA-Board, zu einer ernsten Warnung veranlasst: „Der Westen möchte uns zu einer hastigen Reaktion treiben und sie hören gern, wenn Iran sagt, es würde sich aus dem NPT zurückziehen.“ So weit wird wohl zumindest Laridschani selbst nicht gehen wollen. Aber jenseits dieser äußersten Maßnahme hat Teheran noch Spielraum für eine Einschränkung der Zusammenarbeit mit der IAEA. Falls Russland und China wirklich an einer unkriegerischen Lösung des Konflikts interessiert sind, waren sie sehr schlecht beraten, den Iranern immer stärker das Gefühl zu geben, ganz auf sich allein gestellt zu sein.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 22. November 2011