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Schlechte Chancen für "lähmende Sanktionen"
Beim Senatshearing am vorigen Mittwoch gab sich William Burns, Staatssekretär im amerikanischen Außenministerium, seiner Sache sicher. Auf die Frage, ob er glaube, dass China im UN-Sicherheitsrat neuen Sanktionen zustimmen werde, antwortete er militärisch knapp: „Yes, Sir, I do.“ - Er hoffe, dass das nur noch eine Frage von wenigen Wochen sei, fuhr Burns fort. Er setzte aber hinzu, es werde „sehr schwierig“ werden, China und Russland eine Zustimmung zu Strafmaßnahmen abzuringen, die Iran von allen Benzin-Lieferungen abschneiden würden.
Irans Erdöl-Vorkommen gehören zwar zu den größten der Welt, aber wegen fehlender eigener Kapazitäten muss es einen erheblichen Teil seines Bedarfs an Treibstoff und anderen Raffinerieprodukten – nach einigen Schätzungen bis zu 40 Prozent – einführen. Diese Importe zu stoppen, vielleicht sogar durch eine militärische Seeblockade, steht daher schon lange im Zentrum westlicher Pläne für „crippling sanctions“, lähmende Sanktionen. Weder China noch Russland zeigen in diesem Punkt bisher Diskussionsbereitschaft.
Mehr noch: Westlichen Medien zufolge haben staatlich geführte chinesische Unternehmen in letzter Zeit ihre Benzin-Lieferungen in den Iran massiv gesteigert und neue Verträge abgeschlossen. Sie riskieren damit erhebliche Nachteile auf dem US-Markt. Angeblich handelt es sich um die ersten chinesischen Benzin-Verkäufe an den Iran seit mindestens Januar 2009. China springt jetzt offenbar für eine ganze Reihe internationaler Konzerne ein, die sich unter amerikanischem Druck aus dem Iran-Geschäft zurückgezogen haben. Zuletzt war es in diesem Monat die staatliche Erdölgesellschaft Malaysias, die die Einstellung ihrer Benzinexporte seit Mitte März bekannt gab. Davor hatte schon Lukoil, die Nummer Zwei unter Russlands Ölkonzernen, die Benzinverkäufe an Iran eingestellt. Ihnen vorausgegangen waren unter anderem die Royal Dutch Shell, Glencore und Vitol. Iranische Sprecher aus Politik und Wirtschaft äußern sich dennoch zuversichtlich, durch Rationierungsmaßnahmen und Ausbau der eigenen Raffinerieanlagen selbst einen totalen internationalen Lieferboykott durchstehen zu können.
Ein solcher ist aber nicht in Sicht. Die Chancen der USA, noch im laufenden Monat, wo Japan den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat führt, einen Sanktionsbeschluss zustande zu bekommen, gelten als äußerst gering. Im Mai führt Libanon, das gute Beziehungen zum Iran pflegt, den Ratsvorsitz. Mit einer Resolution wird deshalb frühestens im Juni gerechnet. Aber auch dann würden Russland und China, die ein Veto-Recht haben, voraussichtlich keine „lähmenden Sanktionen“ mittragen. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der US-Kongress die Obama-Administration zu einem raschen Alleingang zwingt. Rund 80 Prozent der Abgeordneten und Senatoren haben sich in der vorigen Woche in einem Brief an den Präsidenten hinter eine entsprechende Forderung der Pro-Israel-Lobby AIPAC gestellt.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 20. April 2010