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Säbelrasseln

Westliche Politiker drohen dem Iran wieder einmal mit der "militärischen Option". Russland deutet Bereitschaft an, weitere Sanktionen mitzutragen.

In den Streit um das iranische Atomprogramm kommt wieder Bewegung, nachdem er einige Monate lang völlig hinter den „Arabischen Frühling“ und den Libyen-Krieg zurückgetreten war. Die israelische Tageszeitung Haaretz mutmaßte am Dienstag, dass es Benjamin Netanjahu „völlig ernst“ sei „mit seinem Wunsch und seinen Vorbereitungen“, „noch vor dem Winter Iran anzugreifen“. Dabei schlage der Regierungschef, so das linksliberale Blatt, „die Warnungen des gesamten Verteidigungs-Establishments“ vor den Folgen einer solchen militärischen Konfrontation in den Wind.

Ebenfalls am Dienstag erklärte der französische Botschafter bei den Vereinten Nationen in New York, Gerard Araud, einer Meldung der Nachrichtenagentur AFP zufolge: „Wenn wir es heute nicht schaffen, dass es zu Verhandlungen mit den Iranern kommt, besteht das starke Risiko militärischer Aktionen.“ Das Land am Persischen Golf anzugreifen würde „eine sehr komplizierte Operation. Es hätte verheerende Konsequenzen in der Region. (…) Alle arabischen Länder sind äußerst besorgt darüber, was passieren könnte.“ Das Wort „heute“ sollte man in diesem Zusammenhang nicht wörtlich interpretieren, da aktuell keine Entscheidungen über die Wiederaufnahme von Gesprächen mit dem Iran anstehen.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte schon Ende August auf dem Jahrestreffen der Botschafter seines Landes mit der Möglichkeit eines „Präventivschlags“ gegen den Iran gedroht und zugleich eine Verschärfung der Sanktionen gefordert. Anfang September äußerte der frühere Vizepräsident der USA, Dick Cheney, in einem Fernsehinterview, dass er mit einem israelischen Angriff rechne. „Iran stellt eine existentielle Gefahr dar, und sie – die Israelis – werden alles Erforderliche tun, um ihr Überleben und ihre Sicherheit zu gewährleisten.“

Solche Drohungen und Prognosen werden allerdings schon seit einigen Jahren immer wieder laut. Es gibt keine unmittelbaren Hinweise, dass man sie diesmal ernster nehmen müsste als früher. Ebenso gut möglich ist, dass das Säbelrasseln nur die Begleitmusik zu neuen Erpressungsversuchen darstellen soll.

Auf jeden Fall wird die nächste Runde des Streits um Irans Atomprogramm wahrscheinlich im Sicherheitsrat des Vereinten Nationen ausgetragen. Dort wurden, beginnend im Dezember 2006, bereits vier Sanktionsbeschlüsse verabschiedet. Die vorerst letzte Resolution wurde am 9. Juni 2010 gefasst. Da sie dem Iran nur eine Frist von 90 Tagen zur Erfüllung aller Forderungen setzte, sind neue Beratungen schon seit über einem Jahr fällig. Das scheiterte bisher am Widerstands Russlands und Chinas gegen eine weitere Eskalation des Streits.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat am Sonntag in einem Interview mit dem US-amerikanischen Fernsehsender CNN die Bereitschaft seines Landes angedeutet, auch zum fünften Mal Strafmaßnahmen gegen Iran mitzutragen. Darauf könne allerdings verzichtet werden, wenn die Regierung in Teheran zu einem „ersten Schritt wie beispielsweise dem Einfrieren der Produktion von Zentrifugen“ bereit wäre.

Diese Geräte werden zur Anreicherung von Uran benötigt. Iran ist derzeit dabei, seine technisch völlig überholten, störanfälligen und wenig effektiven Zentrifugen durch zwei modernere Typen zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass es deren Produktion ohne wirkliche Gegenleistung und ohne internationale Sicherheitsgarantien einstellen wird.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 30. September 2011