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Russland bremst im Streit um das iranische Atomprogramm
Zusammen mit Deutschland wollen die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats am heutigen Mittwoch in New York ihre Beratungen über Sanktionen gegen Iran fortsetzen. Ein Treffen am Montag hatte ohne Annäherung geendet. Russland hat eine Reihe von Abänderungswünschen an dem vor drei Wochen von Deutschland, Frankreich und Großbritannien präsentierten Entwurf vorgelegt. Der US-amerikanische UNO-Botschafter John Bolton sagte am Montag nach dem Treffen, die russischen Einwände würden das gemeinsame Vorgehen "weit zurückwerfen".
Inoffiziell verlautet aus diplomatischen Kreisen, dass der europäische Entwurf durch die russischen Gegenvorschläge auf die Hälfte verkürzt werden würde. Moskau will die Sanktionen strikt begrenzen auf Bereiche, die unmittelbar mit der Uran-Anreicherung, mit dem von Iran geplanten Bau eines Schwerwasserreaktors bei Arak und mit eventuellen Atomwaffenplänen in Zusammenhang stehen. Die Europäer hingegen wollen alle Lieferungen und Kenntnisvermittlungen verbieten, die dem iranischen Atomprogramm dienen könnten.
Eine kleine Ausnahme sieht der europäische Entwurf für das Atomkraftwerk im iranischen Buschehr vor, das von russischen Unternehmen gebaut wird und im Herbst 2007 fertiggestellt werden soll: Russland soll zwar weiterbauen dürfen, doch soll die vereinbarte Lieferung von Brennstäben unter den Bann der Sanktionen fallen. Iran könnte den Reaktor also nicht in Betrieb nehmen, und Russland müsste vertragsbrüchig werden. Deshalb drängen die russischen Vertreter bei den Verhandlungen darauf, Buschehr völlig aus der geplanten Resolution des UNO-Sicherheitsrats herauszunehmen.
Offenbar widersetzt sich Moskau auch der Forderung der Europäer nach einem weltweiten Reiseverbot für alle Iraner, die in irgendeinem Zusammenhang mit dem Atomprogramm stehen. Eine solche Maßnahme würde, so der russische Einwand, die laufenden Verhandlungen sehr erschweren.
Dass Russland nicht mit dem Konfrontationskurs der Amerikaner und Europäer einverstanden ist, zeigte sich auch beim Besuch des iranischen Chefunterhändlers Ali Laridschani in Moskau am Wochenende. Außenminister Sergej Lawrow sagte anschließend, Russland werde sich für neue Gespräche der "5 plus 1" mit dem Iran einsetzen. USA und EU verweigern seit Monaten Verhandlungen, solange Iran nicht auf die Uran-Anreicherung verzichtet.
Unterdessen gab es am Wochenanfang Unklarheit über Meldungen, dass die USA und Großbritannien den Iran und Syrien in die Suche nach einer Lösung für die bürgerkriegsartige Situation im Irak einbeziehen wollen. Die Befürchtung, dass die US-Regierung ihren Konfrontationskurs gegen Iran abschwächen könnte, war ein zentrales Thema der Gespräche des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert in Washington. Kein Grund, sich Sorgen zu machen, versicherte Präsident George W. Bush seinem Gast. Er sei sich mit Olmert einig, dass Iran "eine Bedrohung des Weltfriedens" sei und mit allen Mitteln "isoliert" werden müsse. Bush und der britische Premierminister Anthony Blair forderten Iran und Syrien auf, die ihnen unterstellte "Einmischung" im Irak zu beenden, und verbanden das mit neuen Drohungen gegen beide Länder.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 15. November 2006