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Pause im Atomstreit
Nach dem Präsidentenwechsel in Teheran steht noch kein Termin für die Wiederaufnahme der Verhandlungen zwischen Iran und der Sechsergruppe fest. Aber es gibt einen neuen iranischen Chefunterhändler.
Iran will die internationalen Verhandlungen über sein Atomprogramm künftig vom Außenministerium leiten lassen. Das gab das Büro des seit Anfang August amtierenden Präsidenten Hassan Rouhani am Donnerstag bekannt. Bisher hatte der Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrats automatisch auch die Funktion des Chefunterhändlers im Atomstreit. Diese Position war im Oktober 2003, in der Frühphase des Konflikts, geschaffen worden. Rouhani selbst war Irans erster Chefunterhändler – bis zu seinem Rücktritt im August 2005 nach der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten.
Gerüchte über die jetzt offiziell bestätigte Neuordnung der iranischen Verhandlungsleitung hatte es schon seit Mitte August gegeben. Außenminister Irans ist seit dem Regierungswechsel in Teheran der 53jährige Diplomat Mohammad Javad Zarif. Der Professor für internationales Recht war zuletzt Vizepräsident der Azad-Universität in Teheran. Zwischen 2002 und 2007 hatte er sein Land bei der UNO in New York repräsentiert. Etliche US-Politiker, darunter Verteidigungsminister Chuck Hagel und Vizepräsident Joseph Biden, kennt er aus dieser Zeit persönlich.
Durch die von Rouhani veranlasste Umorganisierung der Verhandlungsleitung im Atomstreit wird dieser automatisch zu einem Teil der allgemeinen iranischen Außenpolitik und verliert seine problematische Sonderstellung. Iran hatte seit Beginn des Konflikts darauf gedrängt, dass dieser Punkt nicht isoliert, sondern nur im größeren Rahmen der Beziehungen zwischen Iran und dem Westen, insbesondere auch einer grundlegenden Neubestimmung des Verhältnisses zwischen den USA und Iran, erfolgreich behandelt und gelöst werden kann. Der bisherige iranische Chefunterhändler Said Dschalili traf nur selten mit westlichen Diplomaten zusammen, und dann im Wesentlichen immer nur zu einem einzigen Thema. Dagegen wird Zarif im normalen Umfang der Tätigkeit eines Außenministers andere Länder besuchen, Gäste empfangen, und von vornherein über eine Vielzahl von Themen diskutieren.
Zur Zeit ist noch nicht abzusehen, wann die seit Ende April unterbrochenen Spitzengespräche zwischen Iran und der Sechserrunde – bestehend aus den USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland – wieder aufgenommen werden. Mit der Entscheidung Rouhanis über die iranische Verhandlungsleitung ist ein wichtiges technisches Hindernis für neue Gespräche aus dem Weg geräumt. Allerdings scheint das neue Verhandlungsteam, das den Außenminister unterstützen soll, noch nicht komplett.
Bisher steht als Termin nur der 27. September für ein Treffen zwischen Vertretern Irans und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) fest. Diese Verhandlungen werden getrennt von denen mit der Sechsergruppe geführt und hatten zuletzt am 15. Mai stattgefunden. Insgesamt gab es seit Anfang 2012 bereits zehn Treffen auf dieser Ebene, ohne dass es zu nennenswerten Annäherungen gekommen ist. Die IAEA wird jetzt höchstwahrscheinlich erneut ihr Ansinnen vortragen, Inspekteure in den Militärkomplex von Parchin zu schicken. Dieser fällt jedoch, da dort nicht mit nuklearem Material gearbeitet wird, nicht in die Kompetenz der Atombehörde. Iran fordert deshalb vor der Zustimmung zu einem Besuch eine schriftliche Vereinbarung, dass es sich dabei nicht um einen Präzedenzfall, sondern um eine freiwillig gewährte Ausnahme handelt.
Der Ausgang des Treffens am 27. September wird vor allem im Westen als Gradmesser für die „Flexibilität“ Irans nach dem Präsidentenwechsel diskutiert werden. Möglicherweise wird erst danach ein Treffen zwischen Iran und der Sechserrunde festgelegt werden. Keine wichtigen Entscheidungen werden dagegen von der routinemäßig alle drei Monate stattfindenden Sitzung des Vorstands der IAEA erwartet, die am Montag in Wien beginnt. Die Zeichen stehen vorerst noch auf Abwarten.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 7. September 2013