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Nicht überzeugt

Iran lehnt internationale Inspektionen im Militärkomplex Parchin weiter ab. Uneinigkeit über die Verhandlungstaktik.

Ein maßgeblicher iranischer Politiker hat dem Eindruck widersprochen, dass mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bereits eine Einigung über deren Forderung nach Inspektionen im Militärkomplex von Parchin nahe bei Teheran erreicht worden sei. Der Leiter der zuständigen iranischen Behörde, Fereidun Abbasi, sagte am Sonnabend, in Parchin gebe es keine nuklearen Anlagen. Die IAEA müsste daher „starke Argumente“ vorlegen, um die iranischen Stellen, einschließlich des Verteidigungsministeriums und der militärischen Führung, von der Notwendigkeit eines solchen Besichtigung zu überzeugen. Bisher habe die IAEA aber weder ausreichende Gründe noch Dokumente geliefert.

Der Generaldirektor der IAEA, Jukija Amano, hatte nach einem Besuch in Teheran vor einer Woche erklärt, man stehe kurz vor dem Abschluss eines Rahmenabkommens, das auch Parchin einschließen würde. Es handelt sich dabei um einen riesigen Fabrikkomplex, der angeblich rund 1000 Gebäude umfasst. Dort werden unter anderem Sprengstoffe und Munition hergestellt. Die IAEA ist jedoch nur für die Überwachung von Anlagen zuständig, in denen mit spaltbarem Material gearbeitet wird. Der UN-Sicherheitsrat hat Iran indessen mit mehreren Resolutionen aufgefordert, der Behörde unabhängig von deren klar geregelten Kompetenzen generellen Zugang zu sämtlichen Gebäuden, Dokumenten und Personen zu gewähren, die sie für „relevant“ erklärt. Das wird im Iran als Lizenz für ein unbegrenztes Ausspionieren des Landes gesehen, wie es tatsächlich im Irak vor dem Krieg jahrelang praktiziert wurde.

Am Sonntag erteilte Abbasi, der im November 2010 einen vermutlich von Israel organisierten Anschlag überlebte, auch den westlichen Spekulationen eine Abfuhr, dass Iran bereit sein könne, die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent aufzugeben: Dafür gebe es keinen Grund, da das Material dringend benötigt werde. Iran stellt daraus Brennplatten her, mit denen ein uralter, von den USA 1967 gelieferter kleiner Reaktor in Teheran betrieben wird. In der Anlage werden Isotope für die Behandlung von Krebspatienten produziert. Der gesamte Prozess steht unter Kontrolle der IAEA und ist daher absolut transparent. Iran hat die Anreicherung auf 20 Prozent im Februar 2010 begonnen, nachdem ihm der Kauf der Brennplatten im Ausland verweigert worden war.

Offenbar herrscht unter den Politikern und Medien Irans Uneinigkeit über die Taktik in den Gesprächen mit der Sechsergruppe, die aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats – USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich – sowie Deutschland besteht. Während das Außenministerium und Chefunterhändler Said Dschalili, der direkt dem Revolutionsführer Ajatollah Khamenei untersteht, optimische Töne anschlagen, zitierte der Christian Science Monitor am Freitag nach der jüngsten Verhandlungsrunde in Bagdad ein Mitglied der iranischen Delegation, der die Gespräche als „kompletten Fehlschlag“ bezeichnete. Die Atmosphäre, von Dschalili ausdrücklich als „gut und konstruktiv“ gelobt, sei in Wirklichkeit so schlecht gewesen wie das Wetter in Bagdad: Dort hatte ein starker Sandsturm getobt, der die Schließung des Flughafens zur Folge hatte. Iranische Agenturen, die anscheinend ständig mit Neuigkeiten aus der Delegation versorgt wurden, hatten während des Treffens mehrfach das schlechte Gesprächsklima beklagt und am Donnerstag sogar schon voreilig den Abbruch der Verhandlungen gemeldet.

Hossein Schariatmadari, der Chefredakteur der konservativen Tageszeitung Kayhan, rief in einem am Sonnabend erschienenen Leitartikel dazu auf, sich aus den Gesprächen mit der Sechsergruppe zurückzuziehen oder zumindest die gesamte Verhandlungslinie gründlich zu überdenken. Es könne jetzt schon vorausgesagt werden, dass auch das nächste Treffen, am 18. und 19. Juni in Moskau, ergebnislos verlaufen werde. Auf der anderen Seite profilieren sich manche Abgeordnete und Journalisten mit phantasievollen, sachlich unwahren Kommentaren, in denen die Verhandlungen als „großartiger nationaler Sieg“ gefeiert werden, da es Iran gelungen sei, den Westen zur Anerkennung seines Rechts auf Uran-Anreicherung zu „zwingen“. Die Nachrichtenagentur IRNA zog am Sonnabend sogar eine Linie zur Rückeroberung der bedeutenden Hafenstadt Khorramschar im Krieg gegen den Irak vor genau 30 Jahren. Dieser Tag, der 24. Mai, wird im Iran gefeiert. Zufällig war es auch der zweite Tage der Atomgespräche in Bagdad.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 29. Mai 2012