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Neue Störmanöver

Netanjahu droht wieder mit Krieg gegen Iran. 80- bis 90-prozentige Mehrheit im US-Kongress für unerfüllbare Maximalforderungen.

Der Streit um die Krim hat die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm aus den Nachrichten verdrängt. Jetzt machte Israel wieder einmal mit einem Paukenschlag auf sich und das Thema aufmerksam. Die Medien des Landes berichteten am Mittwoch, dass Premier Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Mosche Ja'alon die Streitkräfte angewiesen hätten, sich für Militärschläge gegen Iran im laufenden Jahr bereit zu halten. Für diese Eventualität seien im Etat mindestens 10 Milliarden Schekel (umgerechnet 2,08 Milliarden Euro) vorgesehen. Quelle der Meldungen sind angeblich drei namentlich nicht bezeichnete Mitglieder der Knesset, die im Januar und Februar an Ausschussanhörungen über die Planungen der Streitkräfte teilgenommen haben.

Nach der seit Jahren üblichen Praxis in Israel, wo es eine recht strenge militärische Pressezensur gibt, gelangen solche „Insiderinformationen“ in der Regel nur auf Wunsch des Regierungschefs an die Medien und werden grundsätzlich nie dementiert. Bereits am Montag hatte Ja'alon in einer Rede an der Tel Aviver Universität gesagt, er sei bisher Gegner eines israelischen Alleingangs gegen Iran gewesen. Er habe aber seine Meinung geändert, da von Präsident Barack Obama kein militärisches Handeln zu erwarten sei.

Hintergrund der israelischen Störmanöver war offenbar die jüngste Verhandlungsrunde zwischen Iran und der internationalen Sechsergruppe, die am Dienstag und Mittwoch in Wien stattfand. Über den Stand der Dinge gab es, wegen der zwischen den Beteiligten vereinbarten Vertraulichkeit, keine Informationen. Sowohl der iranische Außenminister Mohammad Jawad Zarif als auch die EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton, die die Sechsergruppe vertritt, waren lediglich bemüht, mit nichtssagenden Ausdrücken Optimismus zur Schau zu stellen.

Dazu passen allerdings nicht die offenen Briefe an Obama aus beiden Häusern des US-Kongresses, die zeitlich genau auf das Wiener Treffen abgestimmt am Dienstag offiziell im Weißen Haus übergeben wurden. Bekannt war der von der Pro-Israel-Lobby AIPAC inszenierte Vorstoß schon seit Ende Februar, einschließlich des Wortlaut der beiden Briefe, für die damals Unterschriften gesammelt wurden. Am Ende steht ein Resultat, mit dem das AIPAC sich sehen lassen kann, nachdem es in den vergangenen Monaten einige politische Niederlagen – vor allem das Scheitern seiner Kampagne für Militärschläge gegen Syrien – einstecken musste: 83 von 100 Senatoren haben den einen Brief unterschrieben, 395 von 435 Abgeordneten den anderen.

Trotz vieler Unterschiede im Aufbau und in den Formulierungen stimmen beide Schreiben im Wesentlichen überein: Obama wird diplomatisch im Ton, aber knallhart in der Sache daran erinnert, dass er für eine Verständigung mit dem Iran zwingend auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen wäre, da anderenfalls die meisten Sanktionen nicht aufgehoben werden könnten. Ihre Zustimmung machen die Unterzeichner jedoch davon abhängig, dass ein eventuelles Abkommen ihren Forderungen entsprechen muss: Irans Recht auf die Anreicherung von Uran darf nicht anerkannt werden. Die Anreicherungsanlage in Fordo, die in Bunkern unterhalb eines Bergmassivs liegt, muss demontiert werden. Die Bauarbeiten am Schwerwasserreaktor in Arak müssen eingestellt werden. Die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) müssen jederzeitigen Zutritt zu jedem Objekt im Iran haben, das sie für „verdächtig“ erklären.

Die Verhandlungen in Wien sollen am 7. April fortgesetzt werden. Dass Iran sich dem Diktat des Kongresses unterwerfen könnte, scheint ausgeschlossen. 

Knut Mellenthin

Junge Welt, 22. März 2014