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Nervenkrieg gegen Iran

Israels Regierung heizt die Spekulationen um nahe bevorstehende Militärschläge gegen Iran weiter an. Im Kanal 2 des israelischen Fernsehens drohte Präsident Schimon Peres am Freitag, dass Israel „und die Welt“ bald kriegerische Maßnahmen ergreifen müssten, da Iran dem Besitz von Atomwaffen immer näher komme. „In der verbleibenden Zeit müssen wir die anderen Nationen zum Handeln drängen und ihnen sagen, dass es an der Zeit ist, hinter dem uns gegebenen Versprechen zu stehen, ihre Verantwortung zu erfüllen, ob das nun ernsthafte Sanktionen oder militärische Operationen bedeutet.“

Um was für Versprechen es sich konkret handelt und welche Regierungen sie gegeben haben, erläuterte der 88-Jährige nicht. Die Zeitung Israel Hajom veröffentlichte am Sonntag ein Gespräch mit Peres, in dem er seine „Vermutung“ wiederholte, dass Iran schon innerhalb des nächsten Jahres eine Atombombe herstellen könnte. „Die Möglichkeit eines militärischen Angriffs gegen Iran liegt jetzt näher als die Anwendung einer diplomatischen Option.“ Eine unmittelbare Entscheidung über Kriegshandlungen sei jedoch noch nicht gefallen.

Die israelische Tageszeitung Haaretz hatte Anfang voriger Woche unter Berufung auf angebliche Insiderquellen behauptet, dass Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barack bereits zu einem militärischen Alleingang entschlossen seien. Im engeren Kabinett, dem außer dem Premier sieben Minister angehören, seien die Meinungen jedoch noch geteilt.

Am Sonntag meldete Haaretz, dass sich Netanjahu und Barack vor einigen Wochen geweigert hätten, der US-Regierung zu bestätigen, dass sie keinen Angriff gegen Iran anordnen würden, ohne sich zuvor mit Washington zu „koordinieren“. Die Frage sei von Verteidigungsminister Leon Panetta auf die Tagesordnung gesetzt worden, als er Anfang Oktober in Israel weilte. Dabei habe der Amerikaner zu verstehen gegeben, dass die US-Regierung nicht „überrascht“ werden wolle. Die beiden israelischen Politiker hätten die Frage jedoch nur ausweichend beantwortet, während es in der Vergangenheit – zumindest nach der Interpretation Washingtons – ein entsprechendes Einverständnis zwischen beiden Staaten gegeben habe. Der gesamte Artikel bezieht sich allerdings nur auf anonyme Informanten.

Ebenfalls am Sonntag wies Haaretz darauf hin, dass mit dem militärischen Abzug der USA aus dem Irak auch der Paragraph 27 des im November 2008 geschlossenen Abkommens zwischen beiden Staaten hinfällig werde. Dieser sichert der Regierung in Bagdad militärischen Schutz gegen Verletzungen des irakischen Territoriums, einschließlich des Luftraums, zu. Damit, so schlussfolgert die Tageszeitung, stehe der israelischen Luftwaffe für Angriffe auf iranische Ziele der kürzeste, über den Irak führende Weg offen.

Indessen verstärkt sich der Eindruck, dass die israelischen Kriegsdrohungen gegenwärtig dazu dienen sollen, die Zustimmung Russlands und Chinas zu noch schärferen Sanktionen gegen Iran zu erpressen. Eine Vorentscheidung wird möglicherweise schon auf der nächsten Vorstandssitzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) am 17. und 18. November erwartet. Dem Gremium wird dann ein neuer Bericht von IAEA-Generaldirektor Jukija Amano über das iranische Atomprogramm vorliegen. Laut inoffiziellen Vorabmeldungen, die am Wochenende verbreitet wurden, soll der Report „bisher nicht bekannte“ Verdächtigungen enthalten, dass Iran an der Entwicklung von Nuklearwaffen arbeite.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 7. November 2011