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Lügen für den Krieg

Wer erinnert sich noch? Am 1. Dezember berichteten die Online-Ausgaben der Mainstream-Medien aufgeregt und in großer Aufmachung über einen deutschen Geschäftsmann, der in Zusammenarbeit mit der iranischen Botschaft in Berlin Angriffe auf US-Einrichtungen in Deutschland vorbereitet habe. Am Abend des selben Tages schon ließ die Bundesanwaltschaft die heiße Luft aus dem Ballon: Es gebe keine Hinweise auf solche Anschlagspläne. Das Dementi vermeldeten die meisten Medien nur noch ganz am Rande oder gar nicht. Die Story lebte kaum einen Tag lang, der Geschäftsmann tauchte nicht wieder auf.

Und wer erinnert sich noch an diese Geschichte? Am 16. Dezember meldeten die Online-Ausgaben ein paar Stunden lang auf Platz 1 einen „spektakulären Fund“, wie der Spiegel es nannte. Auf dem Moskauer Flughafen war den Kontrolleuren ein Koffer aufgefallen, in dem es sich 18 Metallbehälter mir radioaktiven Isotopen befanden. Angeblich gehörten sie einem iranischen Passagier, der nach Teheran weiterfliegen wollte. Davon stand allerdings nichts in der vom russischen Zoll herausgegebenen Meldung. Die Nachrichtenagentur RIA Nowosti meldete folglich korrekt: „Identität und Staatsbürgerschaft des Passagiers wurden nicht bekannt gegeben.“

Die entdeckte Substanz dient ausschließlich zu medizinischen Zwecken. Sie ist nur schwach radioaktiv, hat mit Nuklearwaffen nicht das geringste zu tun. Nicht einmal in einem Kraftwerk könnte sie benutzt werden. Trotzdem triumphierte Spiegel online: „Dieser Fund dürfte die Diskussion um das iranische Atomprogramm weiter verschärfen.“ In Wirklichkeit war der Vorfall so total bedeutungslos, dass er schon am nächsten Tag aus den Medien verschwunden war. Möglicherweise war er von geheimdienstlichen Provokateuren inszeniert worden, denn dass der Koffer bei der Kontrolle auffallen würde, war vorhersehbar: Er wies immerhin das Zwanzigfache der normalen Umgebungsradioaktivität auf.

Nicht länger als einen Tag lebte auch die Behauptung von Newt Gingrich, geäußert am 12. Dezember, dass der Iran „riesige unterirdische Anlagen“ zur Herstellung von Atomwaffen unter Moscheen gebaut habe, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Was für ein Gingrich? Nun, er ist immerhin der aussichtsreichste Bewerber der Republikaner für die US-amerikanische Präsidentenwahl im kommenden Jahr. Seine Konkurrentin Michele Bachmann bemüht sich mitzuhalten: Sie phantasierte im Fernsehen, dass Irans Präsident Mahmud Admadinedschad gedroht habe, Atomwaffen gegen Israel und die USA einzusetzen.

Was fehlt da noch? Richtig: der 11. September 2001. Am 15. Dezember verkündete ein Distriktrichter in Manhattan, dass Iran rechtlich verantwortlich sei, den Planern und Ausführenden der Angriffe materielle Unterstützung geben zu haben.

Knut Mellenthin

22. Dezember 2011