Funktionen für die Darstellung
Seitenpfad
Langsame, aber kontinuierliche Fortschritte des iranischen Atomprogramms
Die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) hat am Mittwoch die Fortschritte Irans bei der Uran-Anreicherung bestätigt. In einem vertraulichen Papier, das mehreren Medien zugespielt wurde, berichtet der stellvertretende IAEA-Direktor Olli Heinonen, dass in der Anlage bei Natanz jetzt insgesamt 1312 Zentrifugen in acht Ketten, sogenannten Kaskaden, in Betrieb sind. Sie befinden sich in einem unterirdischen, gegen Luftangriffe verbunkerten Tel der Anlage. Bisher liefen in Natanz nur zwei oberirdische Test-Kaskaden mit jeweils 164 Zentrifugen. Die iranische Atombehörde hat der IAEA schon vor mehreren Wochen mitgeteilt, dass Ende Mai 18 Kaskaden mit insgesamt rund 3000 Zentrifugen laufen sollen.
Die Zentrifugen-Ketten dienen dazu, zuvor in Gasform verwandeltes Uran anzureichern. Auf weniger als 5 Prozent angereichertes Uran wird als Brennstoff für Atomkraftwerke benötigt. Um für Atomwaffen verwendet werden zu können, muss Uran auf über 90 Prozent angereichert werden. Nach Expertenschätzungen könnte Iran mit 3000 Zentrifugen rein theoretisch ein oder zwei Atombomben im Jahr produzieren. Voraussetzung: Sämtliche Zentrifugen müssten in vollem Betrieb rund um die Uhr laufen. Dazu ist Iran aber nach allgemeiner Ansicht bisher nicht in der Lage, insbesondere wegen unzulänglicher Qualität seiner Zentrifugen, bei denen es oft Schäden gibt.
Die Schätzungen sind im Übrigen rein hypothetisch: Erstens, weil Iran nach eigenen Aussagen und nach den Erkenntnissen der IAEA nicht an der Entwicklung von Atomwaffen arbeitet. Zweitens, weil der gesamte Prozess der Uran-Anreicherung in Natanz unter ständiger Aufsicht der IAEA steht. Sobald dort über die bisher erreichten 3,5 oder 4,5 Prozent hinaus angereichert würde, würde die IAEA sofort Alarm schlagen. Die Konsequenzen lägen auf der Hand.
Heinonens Bericht beruht auf einem Besuch von IAEA-Inspektoren in Natanz, der Anfang dieser Woche stattfand. Sie stellten auch fest, dass bisher nur wenig Urangas in die Kaskaden eingespeist wird und die gesamte Anlage bisher mit niedrigem Druck und folglich geringer Leistung läuft. Die bisherigen zwei Versuchs-Kaskaden waren überwiegend im Leerlauf, das heißt ganz ohne Gas, betrieben worden, um die Stabilität der Zentrifugen zu testen.
Heinonen beklagt in seinem Rapport, dass Iran die IAEA-Inspektoren nicht mehr auf die Baustelle des Schwerwasser-Reaktors bei Arak lässt. Die Fertigstellung dieser Anlage ist für 2009 geplant. Hintergrund des Streits: Die iranische Regierung hat Ende März aufgrund der feindseligen Haltung des UNO-Sicherheitsrats alle freiwilligen, zusätzlichen Vereinbarungen mit der IAEA gekündigt, die über die allgemein verbindlichen Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) hinausgehen. Dazu gehörte, dass Iran sich bereit erklärt hatte, die IAEA in sämtliche Bauvorhaben von Anfang an einzubeziehen. Laut NPT beginnt die Informationspflicht aber erst sechs Monate vor Fertigstellung einer Anlage.
IAEA-Experten geben inoffiziell zu, dass es keinen Verdacht auf Unregelmäßigkeiten in Arak gibt, sondern dass es den Iranern offenbar nur "ums Prinzip" geht. Das Gleiche gilt für den anscheinend immer noch nicht definitiv geklärten Streit um technische Details der Kamera-Überwachung der neuen Kaskaden in Natanz. Die von Deutschland unterstützte destruktive Haltung des UNO-Sicherheitsrats bietet dem Iran keinerlei Anreiz für weiteres freiwilliges Entgegenkommen.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 20. April 2007