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Langer Wunschzettel

Die EU plant massive Wirtschaftssanktionen gegen Iran, berichtete Spiegel Online am Dienstag. Das Nachrichtenmagazin berief sich dabei auf ein vertrauliches 13seitiges Papier, das der Redaktion zugespielt wurde. Der Maßnahmenkatalog sei im Auftrag der EU-Außenminister von Finanz- und Handelsexperten ausgearbeitet worden.

Laut Spiegel werden in dem inoffiziellen Papier Sanktionen empfohlen, die – anders als die bisherigen drei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats - „die gesamte iranische Wirtschaft“ treffen sollen. Vor allem sollen der Energiesektor und das Finanzwesen angegriffen werden. Da Iran seinen Bedarf an Raffinerieprodukten, insbesondere Benzin, wegen fehlender Kapazitäten nur zu etwa 50 Prozent selbst decken kann, strebt die EU für diesen Bereich ein internationales Embargo an. Strafmaßnahmen sollen ausländische Unternehmen davon abhalten, in diesen Bereich zu investieren oder Iran Anlagen und Ersatzteile für seine Raffinerien zu liefern. „Ohne Sprit-Importe würde der Transport binnen kurzem zusammenbrechen“, hofft der Spiegel. Auch die Modernisierung der Erdölförderung solle durch ein Investitionsverbot erschwert werden.

In dem EU-Papier werde darüber hinaus vorgeschlagen, „die iranische Zentralbank aus dem globalen Geld- und Kreditkreislauf zu verbannen“. Iran könnte dadurch, falls die wichtigsten Staaten der Welt mitziehen würden, weitgehend vom internationalen Waren- und Zahlungsverkehr ausgeschlossen werden. Weitere Sanktionen sollen die großen Versicherungskonzerne daran hindern, Garantien für Warengeschäfte und Investitionen im Iran zu übernehmen. Dadurch „würden Lieferungen nach Iran riskanter und damit zumindest deutlich teurer“.

Allerdings handelt es sich bei diesem Katalog offenbar noch nicht um konkrete Pläne, sondern nur um einen sehr lang geratenen Wunschzettel. Viele der Ideen machen nur Sinn, wenn sie aufgrund einer neuen Resolution des UN-Sicherheitsrats von der gesamten internationalen Gemeinschaft mitgetragen und weltweit verbindlich gemacht würden. Um das zu erreichen, müssten aber zunächst Russland und China dazu bewegt werden, auf ihr Vetorecht als ständige Ratsmitglieder zu verzichten.

Die Chancen dafür stehen indessen bisher nicht gut. China plädiert dafür, den Konflikt durch Verhandlungen zu lösen, und lehnt zur Zeit zusätzliche Sanktionen rundum ab. Etwas offener ist die russische Haltung. Dort zweifelt man zwar auch grundsätzlich am Nutzen von Sanktionen und weist auf deren schädliche Folgen hin. Andererseits lassen russische Politiker seit einigen Monaten Bereitschaft erkennen, sich der Diskussion über neue Strafmaßnahmen nicht von vornherein zu verschließen. Allerding dürften diese nur im „Non-Proliferationsbereich“ liegen. Das heißt, sie müssten auf „sensible“ Bereiche der Atomindustrie und auf die iranische Raketenproduktion beschränkt bleiben. Darüber hinausgehende wirtschaftliche und finanzielle Strafmaßnahmen will Russland zumindest zum jetzigen Zeitpunkt nicht mittragen.

Theoretisch könnten sich die EU-Staaten und die USA auch auf Sanktionen ohne Mitwirkung der UNO verständigen. Diese wären aber nicht nur in ihrer Effektivität beschränkt, sondern würden es auch schwerer machen, Russland und China künftig noch für gemeinsame Maßnahmen zu gewinnen. Auch das in dem EU-Papier angestrebte Ziel, Länder wie Brasilien und die Türkei als Partner bei der Bekämpfung Irans einzubinden, liegt vorerst im Bereich des Wunschdenkens.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 25. Februar 2010