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Kein Alarm

Neuer Iran-Bericht der IAEA enthält nur Bekanntes. Frist des UN-Sicherheitsrats für neue Strafmaßnahmen läuft ab.

Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Jukija Amano, hat am Montag einen neuen Bericht über den Stand des iranischen Atomprogramms vorgelegt. Formal ist dieser Report zunächst geheim und dient nur zur Unterrichtung der 35 Regierungen, die im Vorstand der IAEA vertreten sind. Indessen war, wie es schon seit mehreren Jahren üblich geworden ist, das 11 Seiten umfassende Papier noch am selben Tag im Internet zu lesen.

Der Generaldirektor der IAEA erstellt diese Berichte zum Iran routinemäßig vier Mal im Jahr, meist einige Tage vor den Vorstandssitzungen. Die nächste beginnt am kommenden Montag in Wien und soll fünf Tage dauern. Der jetzt vorgelegte Entwurf richtet sich zugleich auch an den UN-Sicherheitsrat. Amano kommt damit einem Auftrag nach, der in der am 9. Juni verabschiedeten Resolution 1929 enthalten ist. Sie sieht vor, dass der IAEA-Generaldirektor innerhalb von 90 Tagen Bericht erstatten soll, ob Iran alle Forderungen seiner Behörde und des Sicherheitsrates erfüllt hat. Falls das nicht der Fall ist, will der Sicherheitsrat über weitere Strafmaßnahmen beraten.

Dass Iran keine der Forderungen erfüllt hat, weil es ihnen jede rechtliche Grundlage abspricht, war auch schon vor Amanos jüngstem Bericht klar. Die wichtigsten Forderungen sind der Verzicht auf die Anreicherung von Uran und die Einstellung der Bauarbeiten am Schwerwasser-Reaktor in Arak. Zu beidem ist Iran aber wie alle anderen Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrag uneingeschränkt berechtigt. Eine weitere Forderung ist, dass Iran der IAEA Zugang zu sämtlichen Plätzen, Dokumenten und Personen gewähren soll, so weit sie dies fordert, auch wenn diese mit dem Atomprogramm überhaupt nichts zu tun haben. Das liegt jedoch eindeutig außerhalb der Kompetenzen der Behörde und hat sich schon im Fall Iraks als Mittel zur planmäßigen Ausforschung von Angriffszielen erwiesen. Darüber hinaus weigert sich Iran, das von ihm gekündigte Zusatzabkommen wieder in Kraft zu setzen, nach dem die IAEA schon zu Beginn von Baumaßnahmen umfassend informiert werden müsste und nicht erst sechs Monate vor der Einbringung radioaktiven Materials in die betreffende Anlage.

Ein in den Medien hochgespielter Streitpunkt ist die Ablehnung einiger IAEA-Inspektoren durch den Iran. Jeder Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags hat unstrittig das Recht, Inspektoren abzulehnen, die er für parteiisch und unfair hält. Im Fall Irans handelt es sich aktuell lediglich um zwei Personen, denen von iranischer Seite die falsche Darstellung eines Sachverhalts im vorigen Bericht des Generaldirektors vorgeworfen wird. Die Behörde widerspricht dieser Behauptung und stellt sich hinter ihre Inspektoren. Indessen verfügt die IAEA über einen Pool von 150 Experten für solche Zwecke. In Amanos Report wird erwähnt, dass Iran in letzter Zeit dem Einsatz von fünf neuen Inspektoren zugestimmt hat.

Einige Mainstream-Medien vearbeiteten den IAEA-Bericht in gewohnt tendenziöser Weise. So titelte der neokonservative US-Sender Fox News seine Meldung mit „UN-Atomagentur schlägt Alarm über Iran“, obwohl Amanos Papier weder alarmistische Töne noch wesentliche Neuigkeiten enthält.Die Washington Post sprach von einer „wachsenden Liste unbeantworteter Fragen über Anreicherungsanlagen“, obwohl diese – soweit sie wirklich produzieren und nicht erst im Bau oder in der Planung sind – vollständig von der IAEA überwacht werden. Die israelische Tageszeitung Haaretz setzte die irreführende Überschrift: „UN-Bericht: Iran hat genug Uran für drei Nuklearwaffen“. Tatsächlich steht nichts dergleichen im Bericht. Materiell dürften die iranischen Uran-Vorkommen für mehrere Dutzend Atombomben reichen. Was Haaretz offenbar meint, ist die im Iran bisher produzierte Menge an schwach angereichertem Uran, die laut IAEA 2800 Kilo ausmacht. Der Anreicherungsgrad ist 3,5 Prozent. Um waffenfähiges Uran zu erhalten, müsste es jedoch auf über 90 Prozent angereichert werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 8. September 2010