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Iran und Russland demonstrieren Zusammenarbeit
Das erste iranische Atomkraftwerk ist nach jahrelangen Verzögerungen endlich am Netz. Am kommenden Montag wird am Standort Buschehr eine Einweihungsfeier stattfinden. Als Ehrengäste werden der Chef des russischen Staatsunternehmens Rosatom, das die Anlage gebaut hat, Sergei Kirijenko, und Energieminister Sergei Schmatko erwartet.
Die eigentliche Inbetriebnahme des Kraftwerks erfolgte schon am vorigen Wochenende. Seine volle Leistung von 1000 Megawatt wird Buschehr voraussichtlich Ende November oder Anfang Dezember erreichen. Dann ist nochmals ein feierlicher Staatsakt geplant. Die Medien des Landes weisen stolz darauf hin, dass Iran – nach Pakistan – das zweite islamische Land ist, das Strom aus Nuklearenergie produziert, und dass die Kapazität der Anlage am Persischen Golf die Gesamtproduktion der pakistanischen Reaktoren übertrifft.
Russland hat vertraglich zugesichert, das Kraftwerk während seiner Lebensdauer mit nuklearem Brennstoff zu versorgen. Im Gegenzug hat Teheran sich verpflichtet, die verbrauchten Elemente zurückzuliefern. Auf diese Weise wird ausgeschlossen, dass Iran daraus waffenfähiges Plutonium gewinnen könnte.
Der Bau des AKW Buschehr war in den 1970er Jahren unter führender Beteiligung des deutschen Unternehmens Siemens begonnen worden. Nach dem Sturz der Schah-Diktatur 1979 zogen sich alle westlichen Firmen von dem Projekt zurück. Rosatom übernahm 1995 den Weiterbau. Die zunächst schon für das Jahr 2000 geplante Fertigstellung wurde jedoch immer wieder hinausgeschoben. Im August 2010 wurde endlich mit der Einbringung der Brennelemente in den Reaktor begonnen. Damals hieß es, dass Buschehr Ende des Jahres ans Netz gehen sollte. Stattdessen gab es weitere Verschiebungen. Im Februar mussten sogar sämtliche Brennstäbe wegen technischer Probleme wieder herausgeholt werden.
Gerüchteweise wurde diese Panne mit dem mutmaßlich von israelischen und US-amerikanischen Dienststellen geschaffenen Computerwurm Stuxnet in Verbindung gebracht. Tatsächlich hat dieser aber laut iranischen und ausländischen Berichten lediglich die Steuerung der Zentrifugen in der Anlage von Natanz gestört. Dort wird schwach angereichertes Uran hergestellt, aus dem Iran Brennstäbe produzieren will, um auf diesem Gebiet unabhängig zu werden. Aus den Berichten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA geht hervor, dass die Arbeit in Natanz durch Stuxnet nur vorübergehend und nicht in relevantem Umfang beeinträchtigt wurde.
Indessen ist im internationalen Streit um das iranische Atomprogramm ein Stillstand eingetreten. Nach dem vorerst letzten Treffen zwischen Iran und der Sechsergruppe, das im Januar in Istanbul stattfand, wurde kein neuer Termin vereinbart. Die Iran-Sechs bestehen aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA) sowie Deutschland. Bisher scheiterten die Verhandlungen dran, dass Iran der Forderung nach Verzicht auf eine eigene Uran-Anreicherung – zu der es wie alle Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags unstrittig berechtigt ist – nicht nachkommen will.
Mittlerweile hat der Sicherheitsrat vier Sanktionsresolutionen verabschiedet – zuletzt am 9. Juni 2010. Da Iran darin nur eine Frist von 90 Tagen eingeräumt wurde, sind neue Gespräche im Rat längst überfällig. Dass sie noch nicht begonnen haben, lässt auf zunehmende Meinungsverschiedenheiten zwischen den Weststaaten einerseits, Russland und China andererseits schließen.
Russland hat vor einigen Wochen einen neuen Vorschlag eingebracht, um die Verhandlungen der Sechsergruppe mit dem Iran wieder in Gang zu bringen. Er sieht die Möglichkeit vor, Teilzugeständnisse Teherans mit der Aussetzung einzelner Sanktionen zu honorieren. Die bisherigen UN-Resolutionen lassen nur ein Alles oder Nichts, aber keine schrittweise Annäherung zu. Weder die Weststaaten noch der Iran haben zu den allerdings noch nicht sehr konkreten russischen Vorstellungen definitiv Stellung genommen.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 10. September 2011