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Iran fürchtet Betrug

Noch keine Einigung über Atomgeschäft zwischen Iran, Russland und Frankreich

Die Verhandlungen über das iranische Atomprogramm sind ins Stocken geraten. Ein zweites Treffen zwischen Vertretern Irans und der Sechsergruppe, das eigentlich noch vor Ende Oktober stattfinden sollte, wurde inzwischen kommentarlos ohne Festlegung eines neuen Termins verschoben. Eine erste mehrtägige Begegnung hatte Anfang Oktober in Genf stattgefunden. Die Sechsergruppe besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA – sowie Deutschland.

In Genf hatte sich erstmals eine zumindest partielle, zeitweise Lösung des Streits abgezeichnet. Dieser Deal war später in mehrtägigen Detailgesprächen, die am 19. Oktober in Wien begannen, weiter ausgearbeitet worden. Beteiligt waren daran der Iran, Russland, Frankreich und die USA. Schließlich hatte der Generalsekretär der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, am 21. Oktober die bis dahin erreichte Übereinstimmung zwischen den Verhandlungsdelegationen zu einem Vertragsentwurf zusammengefasst. Diesem haben mittlerweile die Regierungen Russlands, Frankreichs und der USA zugestimmt, während Iran die Vorschläge der IAEA grundsätzlich begrüßte, aber Klärungsbedarf für praktische Einzelheiten des Deals sah. Hintergrund ist vor allem, dass viele iranische Politiker, darunter auch maßgebliche Parlamentarier, das Abkommen in der bisher diskutierten Form mit erheblichem Misstrauen betrachten.

Der Grundgedanke des vorgeschlagenen Deals besteht darin, dass Iran rund 1100 Kilogramm schwach angereichertes Uran nach Russland liefern soll. Das wären 70 bis 75 Prozent seiner derzeitigen Vorräte. In Russland soll das Material, das jetzt einen Grad von 3,5 Prozent hat, auf 20 Prozent angereichert werden. Anschließend soll es in Frankreich zu Metallplatten verarbeitet und an den Iran zurückgeliefert werden. Dort wird es als nuklearer Brennstoff für den Betrieb eines kleinen Versuchsreaktors in Teheran benötigt, der Isotope für medizinische Zwecke, insbesondere für die Behandlungen von Krebserkrankungen, produziert. Den Reaktor hatte Iran noch zu Zeiten des Schah-Regimes von den USA erhalten. Sein derzeitiger Brennstoff, den Iran Anfang der 90er Jahre aus Argentinien bezogen hatte, reicht nur noch für knapp ein Jahr.

Aus westlicher Sicht würde dieses Geschäft allerdings nur „Zeit kaufen“, nicht aber das Problem lösen. Denn die Regierungen der USA und der EU wollen Iran zwingen, völlig auf die Anreicherung von Uran zu verzichten und alle in Zusammenhang damit stehenden Anlagen still zu legen. Der vorgeschlagene Deal würde jedoch nur dazu führen, dass Iran seinen Vorrat an schwach angereichertem Uran um eine Menge verringert, die es in ungefähr einem oder anderthalb Jahren erneut produzieren kann. Der grundsätzliche Streit würde also selbst im Fall einer Einigung auf dieses Geschäft weitergehen.

Viele iranische Politiker zweifeln deshalb am Nutzen eines solchen Deals. Ihrer Ansicht nach wäre es besser, das benötigte 20prozentige Uran auf dem internationalen Markt zu kaufen – was jedoch aufgrund des Drucks von USA und EU praktisch unmöglich sein dürfte – oder es selbst herzustellen, wofür indessen die technischen Voraussetzungen fehlen.

Iran wird sich aber auf jeden Fall dagegen zu schützen versuchen, dass es zwar sein schwach angereichertes Uran abliefert, aber am Ende trotzdem nicht den versprochenen Brennstoff erhält. Denn gerade mit der Vertragstreue Frankreichs hat der Iran schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Die iranische Regierung wird deshalb wahrscheinlich darauf bestehen, das eigene Uran nur jeweils im direkten Austausch gegen den Brennstoff zu liefern. Sprecher der USA und der EU haben das in ersten Kommentaren als „unannehmbar“ abgelehnt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 2. November 2009