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Iran als Modell für die geplante Verschärfung des Atomwaffensperrvertrags
Warum ist Iran, das den Atomwaffensperrvertrag (Nuclear Non-Proliferation Treaty, NPT) unterzeichnet hat und nach den Erkenntnissen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nicht an der Entwicklung von Nuklearwaffen arbeitet, einem zunehmenden internationalen Druck ausgesetzt, auf einen Teil seiner Rechte aus dem NPT zu verzichten? Während auf der anderen Seite Israel, Indien und Pakistan, die dem Vertrag nie beigetreten sind, unbehelligt ihr Atomwaffenarsenal ausbauen dürfen? Offenbar ist die Zugehörigkeit zum NPT mit erheblichen Nachteilen verbunden, die sich umgehen lassen, wenn man den Vertrag nie unterzeichnet hat. Es liegt auf der Hand, dass diese Situation weder den Vertrag noch das Ziel der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen stärkt.
Der NPT wurde am 1. Juli 1968 zunächst zwischen den USA, der Sowjetunion und Großbritannien geschlossen. In erster Linie diente er dazu, wie China damals zutreffend kritisierte, das Monopol der über Atomwaffen verfügenden Staaten zu zementieren, während diese selbst keine Verpflichtungen zur Abrüstung übernahmen, sondern sich auf unverbindliche und vage Zukunftsversprechungen beschränkten. China trat deshalb dem NPT erst im März 1992 mit dem Status einer Atommacht bei, kurz nachdem auch Frankreich den Vertrag unterschrieben hatte.
Der NPT trat am 5. März 1970 vereinbarungsgemäß in Kraft, nachdem er von den Erstunterzeichnern und 40 weiteren Staaten ratifiziert worden war. Israel, das seit 1967 Atombomben besaß, hätte dem Vertrag als Atommacht beitreten können, lehnte das aber wegen der damit verbundenen Kontrollen ab.
Warum sollte unter den gegebenen Voraussetzungen, die ganz eindeutig die Atommächte privilegisieren, überhaupt ein Staat vertraglich auf die Entwicklung und Produktion von Atomwaffen verzichten? Ausschließlich, um sich die Möglichkeit der friedlichen Nutzung der Kernenergie offen zu halten. Denn der NPT verbietet die Belieferung von Nicht-Unterzeichnern mit nuklearer Technologie. Zugleich verpflichtet er aber alle Staaten, andere Länder bei der Entwicklung ihrer zivilen Atomprogramme zu unterstützen. Wörtlich heißt es im Punkt 2 des Artikels IV: "Alle Vertragsparteien verpflichten sich, den größtmöglichen Austausch von Ausrüstungsgegenständen, Stoffen sowie wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur friedlichen Nutzung der Atomenergie zu erleichtern, und sind berechtigt, daran teilzunehmen. Die Vertragsparteien, die dazu in der Lage sind, sollen zusammenarbeiten, um allein oder gemeinsam mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen zur Weiterentwicklung der Anwendung der Atomenergie für friedliche Zwecke beizutragen. Das gilt besonders auf dem Territorium von Partnerstaaten des Vertrages, die keine Atomwaffen besitzen, wobei die Bedürfnisse der Entwicklungsgebiete der Welt gebührend berücksichtigt werden sollen."
Iran gehörte unter dem Schah-Regime am 1. Juli 1968 zu den ersten Unterzeichnern des NPT und ratifizierte ihn am 2. Februar 1970. Der Schah ließ damals ein riesiges Atomprogramm mit 20 Kernkraftwerken planen. Im Mai 1975 begann die deutsche Kraftwerk-Union mit dem Bau des ersten iranischen AKW in Buschehr.
Nach der "Islamischen Revolution” von 1979 kam jedoch unter massivem Druck der US-Regierung nicht nur dieses Projekt, sondern die gesamte internationale Zusammenarbeit mit Iran auf dem Gebiet der zivilen Atomtechnologie fast völlig zum Erliegen. Unter anderem zog sich die deutsche KWU zurück. Im Laufe der Jahre ließen Unternehmen aus mindestens 16 Ländern bereits geschlossene Verträge platzen oder zogen sich aus angebahnten Geschäften zurück. Einzige Ausnahme war Russland, das den Weiterbau in Buschehr übernahm.
Iran stellt daher zutreffend fest, dass an erster Stelle die USA, dann aber auch die von diesen erfolgreich erpressten Staaten ihren Verpflichtung aus Artikel IV, 2 des NPT grob zuwider gehandelt haben und weiterhin handeln. Damit ist klar, dass Iran aus der Zugehörigkeit zum NPT ausschließlich Nachteile, nicht aber auch die versprochenen Vorteile hat. Deshalb tendierte das Teheraner Parlament schon mehrmals dazu, die Regierung zum Ausstieg aus dem Vertrag aufzufordern oder die weitere Mitgliedschaft von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Bisher hat sich aber die Ansicht durchgesetzt, dass ein solcher Schritt in erster Linie den Feinden Irans bei ihrer Isolations- und Kriegskampagne nutzen würde.
Unabhängig davon jedoch zerstört der offene Bruch des NPT durch die USA und andere Staaten die Vertrauensgrundlage des Vertrages. In diesem Zusammenhang ist auch die von den USA mit Unterstützung des IAEA-Chefs Mohamed ElBaradei vorgetragene Forderung zu sehen, die "Lücken" des NPT zu schließen.
Gemeint ist Folgendes: Punkt 1 des Artikels IV besagt: "Nichts in diesem Vertrag darf so interpretiert werden, dass es das unveräußerliche Recht aller Vertragsparteien beeinträchtigt, ohne Diskriminierung Erforschung, Produktion und Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke zu entwickeln." – Das schließt das Recht aller Unterzeichnerstaaten ein, unter Aufsicht und Kontrolle der IAEA schwach angereichertes Uran als Reaktor-Brennstoff selbst herzustellen. Diese Technik beherrschen allerdings bisher nur 13 oder 14 Staaten. Darunter Deutschland, wo sich seit 1985 eine Anreicherungsanlage im westfälischen Gronau befindet. Die Kapazität wird derzeit auf 4.500 Tonnen jährlich erweitert. Zum Vergleich: Iran hat seit Aufnahme der Anreicherung im Februar 2007 noch nicht einmal eine Zehnteltonne produziert.
Schwach angereichertes Uran liegt bei unter 5 Prozent. Um waffenfähiges Uran zu erhalten, müsste es auf etwa 90 Prozent angereichert werden. Das stellt, wenn erst einmal grundsätzlich die Anreicherung beherrscht wird, rein theoretisch kein unüberwindliches Problem mehr dar. Es setzt aber voraus, dass das Land, das diesen Schritt auch nur vorbereiten will, sofort Riesenprobleme mit der IAEA kriegen würde. Es müsste die IAEA-Inspektoren ausweisen und offiziell aus dem NPT austreten. Das ist vertragstechnisch ganz leicht möglich: Artikel X erlaubt allen Unterzeichnern, den NPT einseitig zu kündigen, wenn "außergewöhnliche Ereignisse wichtige Interessen des Landes" gefährden. Was das konkret bedeuten, kann im Grunde jedes einzelne Land selbst definieren. Der einzige Staat, der diesen Schritt bisher getan hat, ist Nordkorea.
Die USA streben mit dieser Begründung an, den Vertrag zu verschärfen, indem allen Staaten, die die Anreicherung noch nicht beherrschen, ausdrücklich verboten werden soll , diese Fähigkeit zu entwickeln. Die USA werden dabei neben der IAEA-Spitze auch von den europäischen Großmächten Deutschland, Frankreich und Großbritannien – die selbst natürlich schon lange Anreicherungsanlagen großen Stils betreiben - , aber auch von Russland und letztlich wohl sogar von China unterstützt. Die Staaten, die dann aufgrund dieses Verbots keinen eigenen Reaktorbrennstoff herstellen dürfen, sollen aus einem von der IAEA kontrollierten internationalen "Pool" versorgt werden.
Die Kampagne gegen Iran zeigt jedoch, wie schnell Staaten, die sich gegenüber den USA "unbotmäßig" verhalten, unter Druck gesetzt und von den nuklearen Ressourcen abgeschnitten werden könnten. Gerade aufgrund der Erfahrungen Irans ist äußerst unwahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit der Staaten der Welt der Forderung der Großmächte nach einer Verschärfung des NPT freiwillig beugen werden. Diese kann also letztlich, wie im Fall Irans, nur mit wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen oder schlimmstenfalls Krieg durchgesetzt werden.
Knut Mellenthin
Erweitere Fassung eines am 15. Mai 2008 in der Jungen Welt erschienenen Artikels