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Hau-Ruck-Sanktionen
USA wollen Strafmaßnahmen gegen Iran durchpeitschen, bevor Moskau und Peking es sich anders überlegen
Schon am heutigen Mittwoch soll der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nach dem Willen der US-Regierung neue Sanktionen gegen Iran beschließen. Der Mexikaner Claude Heller, der derzeit den Ratsvorsitz führt, gab sich am Montag sicher, dass über die Resolution auf jeden Fall noch im Laufe dieser Woche abgestimmt wird.
Der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschaft warnte gestern am Rand eines regionalen Gipfeltreffens in Istanbul vor den Konsequenzen einer „überhasteten“ Entscheidung: „Wenn Zusammenarbeit erwartet wird, dann muss sie auf allen Gebieten stattfinden. Die USA und ihre Verbündeten würden einen Fehler machen, wenn sie annähmen, sie könnten einerseits Resolutionen gegen Iran beschließen und andererseits gleichzeitig Gespräche mit diesem Land führen.“ Ahmadinedschad deutete in diesem Zusammenhang die Möglichkeit an, dass Iran seine Zustimmung zu dem mit der Türkei und Brasilien vereinbarten Kompromissvorschlag zurückziehen könnte, falls der Sicherheitsrat zusätzliche Sanktionen verhängt. Der Vorschlag sei „eine Chance“, die sich „nicht wiederholen“ werde.
Die Eile, mit der die US-Regierung jetzt die Resolution durchpeitschen will, ist hauptsächlich von der Sorge getrieben, dass Russland und China, die dem Entwurf schon vor über drei Wochen zugestimmt haben, ihre Position noch einmal überdenken könnten. Wichtig ist dem Team um Präsident Barack Obama auch, dass die Entscheidung über neue Sanktionen fällt, ohne sich mit dem iranisch-türkisch-brasilianischen Vorschlag überhaupt auseinander zu setzen. Die Regierungen Russlands und Chinas wirken in diesem Spiel nur wie Statisten, die kein eigenes Konzept haben und US-Außenministerin Hillary Clinton ständig in ihrem Namen sprechen lassen.
Mit den Risiken und Folgen dieser Politik hat sich der frühere Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA), Mohamed ElBaradei, in einem Interview beschäftigt, das am 29. Mai in der größten brasilianischen Tageszeitung, dem Jornal do Brasil, veröffentlicht wurde: Das iranische Angebot sei eindeutig eine „vertrauensbildende Maßnahme“. Darauf nicht einzugehen, sondern kurzerhand neue Sanktionen zu verhängen, wäre „völlig kontraproduktiv“. „Meine Sorge ist, dass man mit der Verhängung von Sanktionen eine große Spaltung zwischen Nord und Süd bekommt. Auf der einen Seite haben wir Länder wie Brasilien, die Türkei, Südafrika und den Rest des Südens, die den iranischen Kompromissvorschlag unterstützen und auf Verhandlungen drängen. Auf der anderen Seite steht der Westen, der eine völlig entgegengesetzte Haltung einnimmt und sagt: lasst uns einfach Sanktionen verhängen. Es wäre recht gefährlich, eine Bruchlinie zwischen Norden und Süden zu haben, und das zu einem Thema, von dem wir alle wissen, dass es nur durch Verhandlungen gelöst werden kann.“
Der UN-Sicherheitsrat, kritisierte ElBaradei weiter, repräsentiere nicht die Welt von 2010, sondern die von 1945. Wenn man ein internationales Gremium wolle, das auf Gleichberechtigung und Fairness aufbaut, müsse man nicht nur die westlichen Interessen, sondern auch die Vorstellungen des „Südens“ berücksichtigen.
Indessen drängt Israel, wie die Tageszeitung Haaretz am Dienstag berichtete, in Washington auf beschleunigte Waffenlieferungen. Gewünscht werden zum einen Präzisionssteuerungen für Bomben, wie Israel sie zuletzt im Libanonkrieg 2006 und bei den Angriffen gegen Gaza 2008 verwendete. Außerdem sollen die USA den Bestand ihrer „Notfall“-Waffenlager in Israel verdoppeln, von derzeit 600 Millionen auf 1,2 Milliarden Dollar. Diese Vorräte dienen zum einen der schnellen Einsatzbereitschaft amerikanischer Truppen in der Region. Darüber hinaus kann Israel sich jederzeit nach vorheriger Zustimmmung der USA aus diesen Waffenlagern bedienen und dadurch seine Fähigkeit zur Kriegführung verlängern.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 9. Juni 2010