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Einigung unerwünscht

Im Atomstreit mit Iran kommen die USA und EU mit immer neuen Forderungen. Eine Beilegung des Konflikts ist offensichtlich nicht gewollt.

Die "Iran-Sechs" (China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA) haben einen neuen diplomatischen Vorstoß angekündigt, um eine Einigung mit dem Iran über dessen Atomprogramm zu erreichen. Die Alternative liegt in einem Krieg gegen Iran, mit weitreichenden und nachhaltigen Folgen für die gesamte Region. Es gibt jedoch von Seiten der USA und ihrer Partner mehrere Faktoren, die einer Einigung fast unüberwindlich im Wege stehen.

1. Die Frage der Glaubwürdigkeit

Ausgehend von den USA und Israel hat sich in der westlichen Propaganda die Behauptung festgesetzt, Iran strebe die Produktion von Atomwaffen an und arbeite an deren Entwicklung. Anders als vor dem Irak-Krieg wird diesmal darauf verzichtet, angebliche Beweise für diese Unterstellung zu konstruieren. Sie steht axiomatisch und daher unwiderlegbar, obwohl sie von den Untersuchungsergebnissen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) nicht gestützt, sondern im Gegenteil im Rahmen des Möglichen sogar widerlegt wird. Die Anlage zur Uran-Anreicherung in Natanz, deren Schließung der UN-Sicherheitsrat fordert, steht vollständig unter Kontrolle der IAEA. Die exakte Menge des angereicherten Urans wird protokolliert, es bleibt unter Aufsicht der internationalen Behörde. Dass Iran nach dem Atomwaffensperrvertrag berechtigt ist, schwach angereichertes, nicht waffenfähiges Uran herzustellen, wie es in Atomkraftwerkwerken als Brennstoff benutzt wird, steht außer Zweifel.

Es gibt allerdings in den mindestens vierteljährlichen Berichten der IAEA einen stets wiederkehrenden Passus, der den Interessen der Feinde Irans entgegenkommt. Er lautet: "Die IAEA ist nicht in der Lage, Versicherungen über die Nichtexistenz von undeklarierten nuklearen Stoffen und Aktivitäten in Iran abzugeben." - Die Logik dieses propagandistischen Dauerbrenners liegt auf der Hand: Die Nichtexistenz einer Sache, sei es der Yeti oder das Seeungeheuer von Loch Ness, ist grundsätzlich nicht beweisbar. Nach der Besetzung Iraks war ein Kommission mit mehreren hundert Mitarbeitern mehr als ein Jahr lang landesweit tätig, bevor offiziell konstatiert wurde, dass keine Spur der angeblichen Massenvernichtungswaffen aufzufinden war.

Wenn USA, EU und Israel trotz lückenloser Kontrolle sämtlicher iranischer Atomanlagen durch die IAEA seit Jahren mit großem Medienerfolg behaupten, es werde insgeheim an der Produktion von Nuklearwaffen gearbeitet, würden sie an dieser Propaganda höchstwahrscheinlich auch nach einer Schließung von Natanz festhalten. Wenn man den Iranern ohne jeden konkreten Beweis prinzipiell die Glaubwürdigkeit abspricht, fehlt aus ihrer Sicht selbstverständlich jeder Grund für irgendein Abkommen, mit dem sie auf einen Teil ihres zivilen Atomprogramms verzichten würden. Das könnte nur einen Rattenschwanz von immer neuen Kontrollforderungen auch außerhalb der Atomanlagen nach sich ziehen.

2. Der Charakter des geforderten Verzichts

Iran ist mit der absurden Situation konfrontiert, dass sich mit zunehmendem eigenem Entgegenkommen und der Klärung aller offenen Fragen durch die IAEA die Position der Gegenseite verhärtet und radikalisiert. Blickt man auf die IAEA-Resolutionen von 2003 und 2004, so wird dort lediglich an Iran "appelliert", als "vertrauensbildende Maßnahme" für die Dauer der IAEA-Untersuchung die Arbeiten an der Uran-Anreicherung zu unterbrechen. Das wird ausdrücklich als "freiwillig" und "nicht gesetzlich bindend" bezeichnet. Auch im Pariser Abkommen zwischen Iran und dem EU-Trio (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) von 2004 ist nur von einer "freiwilligen" Unterbrechung für die Dauer der Verhandlungen die Rede. Diese sollten "objektive Garantien" für den ausschließlich friedlichen Charakter des Atomprogramms festlegen. Erst in den Gesprächen mussten die Iraner enttäuscht feststellen, dass die EU darunter ausschließlich die Verewigung des iranischen Verzichts auf eigene Uran-Anreicherung verstehen wollte.

Seit der ersten Resolution des UN-Sicherheitsrats vom 23. Dezember 2006 ist von "freiwillig" und "nicht gesetzlich bindend" ebenso wenig die Rede wie von einer Befristung des Moratoriums. Die Einstellung der Arbeiten an der Uran-Anreicherung ist in eine durch Strafmaßnahmen zu erzwingende "Verpflichtung" umgewandelt worden, für die es aber keine rechtliche Grundlage gibt. Wenn der russische Außenminister Sergej Lawrow kürzlich behauptete, vom Iran werde nur ein Moratorium für die Dauer der Verhandlungen verlangt, so mag das auf einem Irrtum oder auf Wunschdenken beruhen. Es könnte auch eine neue diplomatische Strategie andeuten. Der Text der Sicherheitsratsresolutionen widerspricht jedenfalls dieser Interpretation.

3. Die US-amerikanischen Parallel-Sanktionen

Der UN-Sicherheitsrat hat bisher drei Sanktionsbeschlüsse gefasst, die die iranische Wirtschaft aber nur am Rande berühren. Weitaus schwerwiegender sind die vom amerikanischen Kongress und der US-Regierung beschlossenen eigenen Strafmaßnahmen, die mit massivem wirtschaftlichen Druck auch international durchgesetzt werden. Sie treffen zum einen die iranischen Banken und erschweren damit die Finanzgeschäfte Irans. Vor allem aber zielen sie mit großen Erfolgen darauf ab, ausländische Investitionen in die iranische Erdöl- und Erdgas-Industrie zum Erliegen zu bringen. Russland und China füllen diese Lücke nur teilweise, und wie lange sie dem Druck der USA noch Stand halten, ist ungewiss.

Dem Iran wäre also mit einer Aufhebung der UN-Sanktionen, die ihm allenfalls als Gegenleistung für einen Verzicht auf die Uran-Anreicherung vage in Aussicht gestellt wird, nur wenig geholfen. Die Bedingungen, unter denen der US-Kongress bereit sein könnte, das Gestrüpp von anti-iranischen Strafmaßnahmen zu revidieren, sind unbekannt. Zu einem Großteil sind diese Sanktionen gar nicht oder nicht ausschließlich durch das Atomprogramm begründet.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 15. Mai 2008