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Diplomatische Offensive

Iran führt Gespräche mit den Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats. Der US-Kongress fordert „lähmende Sanktionen“ im Alleingang.

Mit einem Besuch von Außenminister Manuchehr Mottaki in Wien hat Iran am Sonntag seine diplomatische Offensive in Sachen Atomstreit fortgesetzt. Wie Mottaki vor einer Woche ankündigte, versucht Iran, die seit Monaten festgefahrenen Verhandlungen über ein nukleares Tauschgeschäft wieder in Gang bringen. Im Vorfeld einer drohenden vierten Sanktionsresolution will Teheran den 15 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats seine Position erläutern und neue Vorschläge zur Diskussion stellen.

Neben den fünf ständigen Mitgliedern China, Frankreich, Großbritannien, Russland und USA sind im Rat zur Zeit und noch bis mindestens Ende des Jahres folgende Staaten vertreten: Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Gabun, Japan, Libanon, Mexiko, Nigeria, Österreich, Türkei und Uganda. Iran hofft vor allem auf die Unterstützung Brasiliens, Libanons – das im Mai den monatlich wechselnden Ratsvorsitz führt - und der Türkei. Alle drei Staaten haben sich bisher deutlich gegen neue Sanktionen und gegen eine Isolierung Irans ausgesprochen. Der brasilianische Außenminister Celso Amorim traf am gestrigen Montag zu Gesprächen in Teheran ein. Zuvor hatte er in einem Zeitungsinterview gesagt, seine Regierung habe über das Abstimmungsverhalten im Sicherheitsrat noch nicht entschieden. Unsicher scheint auch nach wie vor die Position Ugandas, das der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad in der vorigen Woche besuchte.

Nach Wien war Mottaki vor allem gekommen, um mit dem Chef der dort ansässigen Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), dem Japaner Jukija Amano, zu sprechen. Anschließend traf er sich mit seinem österreichischen Amtskollegen Michael Spindelegger zu einem zweistündigen Gespräch. Schon im Vorfeld hatten die in Österreich sehr rührige Anti-Iran-Kampagne Stop the Bomb, die Vertretung der jüdischen Gemeinden sowie Einzelpersonen wie die Schriftstellerin Elfriede Jelinek und die Grünen-Politikerin Madeleine Petrovic heftig gegen das Treffen der beiden Außenminister polemisiert. Ihr Vorwurf: Österreich mache sich durch Gespräche mit iranischen Politikern der „Beschwichtigungspolitik“ schuldig. Die Wiener Tageszeitung Standard brachte am Freitag sogar das Gerücht auf, nicht näher bezeichnete „amerikanische Kreise“ seien „bestürzt über den Alleingang Österreichs“. Spindelegger erklärte demgegenüber, die Begegnung sei mit allen Verbündeten, auch mit Washington, abgesprochen gewesen.    

Indessen bewegen sich die USA weiter auf „lähmende Sanktionen“ im Alleingang zu. Das Abgeordnetenhaus verabschiedete am Donnerstag mit 403 gegen 11 Stimmen
eine Resolution, durch die die Einigung mit dem Senat auf ein gemeinsames Sanktionsgesetz angeschoben werden soll. Beide Kammern des Kongresses hatten schon vor einigen Monaten Gesetzentwürfe beschlossen, deren Texte aber noch vereinheitlicht werden müssen. Dafür hat das Abgeordnetenhaus jetzt eine Frist bis zum 28. Mai festgelegt. Durch das neue Gesetz soll die Regierung verpflichtet werden, Strafmaßnahmen gegen ausländische Unternehmen zu verhängen,  die Benzin nach Iran liefern, in die Raffinerie-Industrie Irans investieren oder diese mit Ersatzteilen versorgen. Die große Mehrheit beider Kongressparteien will Präsident Barack Obama zwingen, auf die bremsende Haltung Russlands und Chinas in der Sanktionsfrage keine Rücksicht mehr zu nehmen, sondern möglichst schnell gemeinsam mit einer „Koalition der Willigen“ harte Strafmaßnahmen zu verhängen.

Knut Mellenthin
Junge Welt, 27. April 2010