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Die Kriegstreiber melden sich zurück

Monatelang war in den USA das Thema Iran in den Hintergrund gestellt worden. Das hing vor allem mit dem Krieg im Kaukasus Anfang August und der damit einhergehenden Verschlechterung der amerikanisch-russischen Beziehungen zusammen. Aber auch unabhängig davon ist festzustellen, dass der künstlich angeheizte Konflikt um die nicht existierenden iranischen Atomwaffen in eine Sackgassen-Situation gesteuert worden ist, in der von der demnächst aus dem Amt scheidenden Bush-Administration allenfalls noch ein plötzliches militärisches Abenteuer, aber keine politische Initiative mehr zu erwarten war und ist.

Mit Blick auf den Amtsantritt des nächsten Präsidenten der USA im Januar 2009 will jetzt eine Gruppe von Politikern beider Kongressparteien das Thema Iran wieder auf die Tagesordnung bringen. Das 117 Seiten starke Papier mit dem Titel „Meeting the Challenge – U.S. Policy toward Iranian Nuclear Development“ (1) wurde vom Bipartisan Policy Center (2) zwar schon Anfang Oktober veröffentlicht, fand aber erst durch einen Leitartikel in der Washington Post vom 23. Oktober (3) breitere Aufmerksamkeit.

Ausgangspunkt der Studie ist die Feststellung, dass die bisherige Politik der stufenweisen, immer wieder von Kriegsdrohungen begleiteteten wirtschaftlichen und finanziellen Erpressung, gemeinhin mit dem scheinheiligen Wort „Diplomatie“ umschrieben, nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. Folglich geht es nur noch darum, einen möglichst großen Teil der Staaten der Welt für eine rasante Verschärfung der bisherigen Strategie zu gewinnen: Erst eine Seeblockade, dann ein wochenlanger Bombenkrieg gegen Produktionsanlagen und Infrastrukturen, der Iran so verwüsten und in seiner Entwicklung zurückwerfen soll, dass das Land nicht bloß auf Jahre, sondern vielleicht sogar auf Jahrzehnte hinaus von ausländischer, insbesondere auch US-amerikanischer Hilfe abhängig ist. (4)

Der neokonservative Kriegshetzer Michael Rubin, seit vielen Jahren eine unvermeidliche Zentralfigur aller antiiranischen Aktivitäten in den Vereinigten Staaten, hat den Text entworfen. (5) Bei der Vorstellung des Papiers in seinem Online-Hausblatt National Review erläuterte Rubin ungeniert einige von ihm verwendete verschleiernde Begriffe wie „containment“ (Eindämmung) und „deterrence“ (Abschreckung): „Um ganz offen zu sein: Containment bedeutet die Fähigkeit der arabischen Golfstaaten, etwa drei oder vier Tage lang aus eigener Kraft Krieg gegen Iran zu führen, bis die Kavallerie auf dem Schauplatz erscheint, und Abschreckung bedeutet im Wesentlichen die Bereitschaft, Hunderttausende Menschen zu töten.“ (6)

Das Papier hätte vermutlich keine außergewöhnliche Aufmerksamkeit gefunden, wenn unter den elf Politikern und Militärs, die dafür verantwortlich zeichnen, nicht der Name von Dennis Ross wäre: Der langjährige Diplomat unter den Präsidenten Reagan, Bush Senior und Bill Clinton gilt als führender Nahost-Berater des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama und macht für diesen unermüdlich Wahlkampf in jüdischen Kreisen, die noch Zweifel haben, ob der außenpolitisch etwas unerfahrene und undurchsichtige junge Mann wirklich hundertprozentig „gut für Israel“ ist. Außerdem wird Ross als möglicher Außenminister gehandelt, falls Obama die Wahl gewinnt. (7) Derzeit arbeitet er für das Washington Institute for Near East Policy (WINEP), dessen Mitgründer er ist. (8) Das Institut steht der offiziellen pro-Israel-Lobby AIPAC nahe. Ross soll einer von drei Ghostwritern gewesen sein, die die anbiederische Rede geschrieben haben, die Obama im Juni dieses Jahres auf einer AIPAC-Veranstaltung vortrug. (9)

Generell bedeutet der (inoffizielle, nicht honorierte) Status eines „adviser“ (Berater) für einen Präsidentschaftskandidaten nicht, dass dieser wirklich dessen Politik maßgeblich beeinflusst und mitgestaltet. Oft steht nur die Absicht im Vordergrund, mit Hilfe eines bestimmten bekannten „Beraters“ um eine Klientel zu werben, bei der dieser angesehen ist. Ross’ Funktion bestand (und besteht) darin, traditionell demokratisch wählenden Juden ihre Bedenken hinsichtlich der absoluten Israel-Treue des Kandidaten zu nehmen. Rechtszionistische und orthodoxe Juden, die den Republikanern und der israelischen Rechten zuneigen, erreicht Ross hingegen nicht, da er keinen guten Ruf in diesen Kreisen hat.

Ein Vergleich der bekannten Positionen von Ross mit den Äußerungen Obamas deutet darauf hin, dass die Verbindung der beiden, die angeblich schon seit vielen Jahren besteht, nicht nur ein Zweckbündnis für den Wahlkampf ist, sondern auf weitgehenden inhaltlichen Übereinstimmungen beruht. So ist auch festzustellen, dass das Iran-Papier des Bipartisan Policy Center mit den Aussagen Obamas zum Thema weitgehend kompatibel scheint. Es geht zwar sehr viel weiter als die absichtlich im Oberflächlichen und Verblasenen gehaltenen Stellungnahmen Obamas, vor allem in der Präsentation militärischer Empfehlungen, aber es widerspricht den Äußerungen des demokratischen Kandidaten nicht wirklich.

Ähnlich wie Obama diskutieren die Unterzeichner des Papiers durchaus aufgeschlossen das Für und Wider eines direkten Verhandlungsangebots an die iranische Regierung. Dabei könnte sogar die bisher absolut gesetzte Vorbedingung aufgeweicht werden, dass Iran alle Arbeiten an der Uran-Anreicherung einstellen muss, bevor überhaupt verhandelt werden kann. Ob ein (zweifelsfrei nur kurzzeitiger) Verzicht auf diese Vorbedingung letztlich zweckmäßig wäre, lassen die Autoren offen. Aber: „Unabhängig davon, für welche Option sich der nächste Präsident entscheidet, ist wichtig, dass alle Verhandlungen mit Iran einen festgelegten Zeitplan haben, beispielsweise 90 Tage, sodass Iran nicht einfach Zeit schinden kann.“ (S. 56)

Ein dahinter stehender Gedanke ist, dass die EU veranlasst werden soll, diesem „festen und endgültigen Zeitplan“ zuzustimmen. (S. 57) Faktisch sollen die Europäer ein zeitlich sehr eng definiertes Ultimatum an den Iran mittragen, mitsamt der von den USA bestimmten Folgen, wobei das „Verhandlungsangebot“ an den Iran als Belohnung, Argument für die Bearbeitung der europäischen Öffentlichkeit oder einfach als billige Dekoration dient.

Zugleich machen die Autoren allerdings offen und unumstößlich deutlich, dass Iran sich auf die vollständige Einstellung der Uran-Anreicherung, Stillegung seiner Anlagen und Auslieferung seiner bereits produzierten Vorräte an schwach angereichertem Uran einlassen müsste und dass diesbezüglich überhaupt kein Kompromiss möglich ist. (S. 36 ff) Bekräftigt wird diese ohnehin traditionelle amerikanische Position durch waghalsige, geradezu sensationelle, bisher wohl erstmalige Rechenkunststücke, denen zufolge Iran innerhalb von nur 17 Tagen genug hochangereichertes Uran für einen nuklearen Sprengsatz produzieren könnte. Da die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde nur etwa einmal im Monat nachschauen kommen, könnte Iran also, dem Papier zufolge, die Kontrollen bequem unterlaufen. Dazu müsste Iran allerdings 50.000 Zentrifugen statt derzeit nur 3.000 voll funktionsfähig in Betrieb haben, wie die Autoren selbst schreiben. (S. 43 und 45)

Obwohl diese Voraussetzung nicht gegeben ist und ihr Erreichen auch nicht absehbar ist, wird das absurde Rechenkunststück benutzt, um einen ganz starken, akuten Zeitdruck zu konstruieren: „Wahrscheinlich wird die erste, drängendste Aufgabe des nächsten Präsidenten im Bereich der nationalen Sicherheit in der zunehmenden Aussicht auf einen Nuklearwaffen-fähigen Iran bestehen. (...) Die Zeit könnte kürzer sein, als viele es sich vorstellen...“ Es sei daher „entscheidend“, dass „unmittelbar nach dem Wahltag“ – und nicht etwa erst nach der Amtseinführung – der Kongress und der gewählte Präsident eine Reihe von „außerordentlich schwierigen politischen Maßnahmen“ einzuleiten beginnen. (10)

Diese Einleitung könnte, unter anderem, durchaus in einem frühzeitigen, scheinbar vorbedingungslosen Verhandlungsangebot des neuen Präsidenten an den Iran bestehen. Ein solcher Schritt würde zu Obamas Image gut passen, er würde die „internationale Öffentlichkeit“ verblüffen und wahrscheinlich sehr viel Beifall auslösen. Da das Angebot wohl mehr oder weniger explizit mit einem Ultimatum verknüpft wäre und da sich an der Maximalforderung nach einen vollständigen Verzicht Irans auf die Uran-Anreicherung nichts ändern würde, wäre ein Scheitern des Versuchs voraussehbar und eingeplant. Dieses würde dem Iran angelastet, was die politisch-psychologischen Voraussetzungen für den nächsten Schritt verbessern würde.

Um aber auch für die unwahrscheinliche Eventualität eines iranischen Einlenkens gerüstet zu sein, halten die Autoren des Papiers einen Joker bereit. Sein Name: „Verification mechanisms“. (S. 56) Soll heißen, um den Iranern ein Nachgeben absolut und mit völliger Sicherheit unmöglich zu machen, müssen sie mit unüberschaubaren, ausufernden Kontrollforderungen konfrontiert werden, denen sie sich auf gar keinen Fall freiwillig unterwerfen werden. Nämlich Konditionen, wie man sie nur einem völlig geschlagenen Gegner mit militärischer Gewalt aufzwingen kann: „In jedes Abkommen müssen Verifizierungsprozeduren hineingeschrieben werden, die sich auf nicht deklarierte Atomprogramme innerhalb des Landes richten. Angesichts der Unfähigkeit der IAEA jedoch, nicht deklarierte Aktivitäten zu entdecken, müssen solche Verifizierungsprozeduren den Mechanismen ähneln, die von der Sonderkommission der Vereinten Nationen (UNSCOM) auf Saddam Husseins Irak angewendet wurden.“ (S. 48)

Ein Verhandlungsangebot, falls es denn eines geben sollte, wäre also nur die Vorbereitung für eine drastische Verschärfung der Sanktionen. Diese soll auf jeden Fall nach Ablauf der gesetzten Frist – drei Monate, siehe oben - einsetzen, unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt noch (oder schon) verhandelt wird. Angestrebt wird von den Autoren, dass über dieses Vorgehen baldmöglichst eine Vorab-Einigung zwischen den USA und der EU zustande kommt. (S. 58)

In diesem Zusammenhang stellen die Verfasser auch Überlegungen hinsichtlich der Bereitschaft Russlands und Chinas an, sich an einer Ausweitung und an der angestrebten gewaltsamen Durchsetzung von Strafmaßnahmen zu beteiligen. (S. 57 und 58) Es werden erstaunliche Ideen vorgetragen, wie etwa, die US-Regierung sollte die Saudis veranlassen, China zu zwingen, sich zwischen ihnen und Iran (als Öllieferanten) zu entscheiden. Nicht sehr realistisch erscheint auch der Vorschlag, Russland zur Einstellung der abschließenden Arbeiten am AKW Buschehr zu erpressen. Letztlich verschließen sich die Autoren nicht der Einsicht, „dass die Politikmacher der USA die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass weder Peking noch Moskau kooperieren werden. In diesem Fall wird Washington kaum eine andere Option haben, als mehr unilaterale und militärische Strategien zu verfolgen.“ (S. 58)

Neben Überlegungen, den Iran durch weltweite Sanktionen gegen seine Banken total vom Welthandel abzuschneiden, steht eine Seeblockade im Zentrum der Empfehlungen. Sie soll sich zunächst gegen die Benzin-Importe richten, von denen Iran aufgrund seines Mangels an Ölverarbeitungsanlagen in hohem Maß abhängig ist. Falls das nicht die geforderte Wirkung zeigt, sollen sämtliche iranischen Erdöl-Exporte verhindert werden. Die Einkünfte daraus machen, so steht es jedenfalls in dem Papier, 63 Prozent der iranischen Staatseinnahmen aus. Außerdem könnte man die Blockade auf wesentliche Industriewaren ausdehnen. (S. 63-64 und S. 71)

An alles haben die Autoren gedacht. Auch daran, dass in einer solchen Blockade ein „Leck“ sein könnte, nämlich die Seegrenze im Kaspischen Meer. Russland und/oder andere Kaspi-Anrainer könnten Iran also auf dem Seeweg weiter beliefern. In diesem Fall, regen die Verfasser an, könnten die USA Irans Häfen verminen oder Kampfflugzeuge gegen die Iran ansteuernden oder verlassenden Frachtschiffe einsetzen. (11) Auch die militärische Erzwingung einer „no-fly Zone“ über Iran wird mit Pros und Kontras erwogen. (S. 71)

Alles das soll noch im Vorfeld einer Bombenkampagne gegen Iran geschehen, auch wenn die Autoren einräumen, dass bereits eine Seeblockade ohne Zustimmung der UNO „eine Kriegshandlung darstellen würde“. (S. 71) Nebenbei würde eine Seeblockade voraussichtlich zu iranischen Reaktionen führen, die vielleicht schon als Casus Belli verkauft werden könnten. Umso bemerkenswerter, dass sich Obama am 7. Oktober bei einer Fernsehdiskussion mit John McCain ausdrücklich für eine Sperrung der Benzin-Zufuhr nach Iran ausgesprochen hat. (12)

Die Verfasser des Papiers fordern, dass der nächste Präsident sofort vom ersten Amtstag an beginnen muss, ein Kriegspotential (13) in der Region aufzubauen. Dazu gehört neben den vorhandenen US-Militärstützpunkten auf der arabischen Halbinsel, die im Papier einzeln aufgezählt werden, auch das Bemühen um „einen erweiterten Zugang zu militärischen Anlagen in Ländern östlich, westlich und nördlich von Iran“. „Das schließt Diplomatie gegenüber Georgien, Aserbaidschan, Turkmenistan, Usbekistan, der Türkei und möglichst auch Pakistan ein, um ihre Zustimmung zur Stationierung von US-Streitkräften und Logistik-Stäben, die für Militäraktionen benötigt werden, zu erreichen.“ (S. 69) Außer der georgischen Regierung, die zu jeder Schandtat bereit ist, haben jedoch alle genannten Staaten bereits entschieden abgelehnt, ihr Territorium für Angriffe gegen Iran zu öffnen. Wie also soll man sich die „Diplomatie“ vorstellen, die das ändern könnte? Erpressung, Bestechung, militärische Gewaltandrohung oder –anwendung?

Auffallend ist, dass die Autoren den Irak und Afghanistan nicht in diesem Zusammenhang ansprechen. Der Grund dafür ist verblüffend einfach: Sie gehen davon aus, dass diese ohnehin von US- und NATO-Truppen besetzten Länder gar nicht erst gefragt werden müssen, „Diplomatie“ dort also überflüssig ist: „Die Anwesenheit von US-Truppen im Irak und in Afghanistan bietet deutliche Voreile in jeder möglichen Konfrontation mit Iran. Die USA können unter dem Deckmantel (cover) der Irak- und Afghanistan-Konflikte Truppen und Material in die Region bringen und auf diese Weise einen Grad von strategischer und taktischer Überraschung aufrecht erhalten.“ (S. XIII)

Zum Drohaufmarsch in der Region, der nach dem Willen der Autoren schon im kommenden Januar beginnen müsste, soll auch die Verdoppelung der im Indischen Ozean kreuzenden Flugzeugträgergruppen von zwei auf mindestens vier gehören. Dieser militärische „Aufbau“ (build-up) soll „in ganz schnellem Tempo“ geschehen, „im Zeitraum von Wochen, wenn nicht Tagen“.

Während der Aufmarsch in Gang ist, soll es kein offizielles Ultimatum geben, aber sofort anschließend: „Die iranische Führung wird die Stationierungen bemerken und wird den build-up als implizite Drohung begreifen. Nach Vollendung des build-up wird der Präsident oder ein eigens bestimmter hochrangiger US-Beamter ein formales Ultimatum an Teheran bekannt geben. Darin wird ein verifizierbarer Stopp der Uran-Anreicherung sowie die Offenlegung und Zerstörung aller Nuklearanlagen, die zur Förderung eines Atomwaffenprogramms dienen könnten, gefordert werden. Falls sich Iran nicht fügt, werden die Vereinigten Staaten ein Embargo verhängen oder militärische Gewalt anwenden.“ (S. 72)

Was die Kriegführung selbst angeht, geht das Papier nicht sehr in die Tiefe, sondern handelt das Thema auf knapp zwei Seiten (S. 74 und 75) ab. Als strategisches Ziel gilt offenbar, Iran durch eine stufenweise ausgeweitete Bombenkampagne zur Kapitulation, das heißt nicht nur zum Verzicht auf die Uran-Anreicherung, sondern zur Hinnahme einer weitgehenden Entwaffnung und eines auf viele Jahre geplanten Überwachungssystems zu zwingen. Wie nach dem Irakkrieg von 1991 könnten die Luftangriffe auch nach einer Kapitulation Irans jederzeit wieder aufgenommen werden, um bestimmte Forderungen durchzusetzen.

Als Ziele für die erste Stufe der Bombenkampagne werden genannt: Luftverteidigungsanlagen, Anlagen der Revolutionären Garden, das iranische Atom- und Raketenprogramm, Munitionslager, Flugplätze, die iranische Flotte. Falls das nicht ausreicht, sollen die Angriffe ausgedehnt werden auf die Bodenstreitkräfte, insbesondere Panzer und Artillerie, Kraftwerke und Stromleitungen, Brücken, Fabrikanlagen jeder Art. Die Kriegführung soll sich auf Luftwaffe und Marine stützen. Der Einsatz von Bodentruppen wird ausgeschlossen, Kommando-Aktionen hingegen seien möglich.

In ganz anderem Zusammenhang versteckt wird auch der Einsatz von Atomwaffen ins Spiel gebracht: „Das Androhen irgendeines Einsatzes von Atomwaffen selbst als Verteidigungsmittel oder zur Vergeltung bleibt unter Washingtons Politikmachern ein Tabu. Es ist jedoch unverantwortlich, diese Diskussionen weiter aufzuschieben, wenn man die Implikationen der iranischen Arbeit an Atomwaffen oder seine Fähigkeit zur Entwicklung solcher Waffen in Betracht zieht. Es könnte erforderlich sein, dass die US-Regierung öffentlich erklärt, dass sie sich das Recht vorbehält, jeden Angriff gegen die USA selbst oder gegen ihre Verbündeten mit überwältigender Kraft und vielleicht mit Atomwaffen zu beantworten.“ (S. 68)

Betrachtet man den sich aus den Vorschlägen der Arbeitsgruppe ergebenden Zeitrahmen, könnten sich die USA schon in etwa einem halben Jahr, gerechnet ab der Amtseinführung des nächsten Präsidenten im Januar, im Krieg gegen Iran befinden. Soweit bekannt haben sich bisher weder Barack Obama noch sein republikanischer Konkurrent zu den Empfehlungen des Bipartisan Policy Center geäußert.

Anmerkungen

  1. „Meeting the Challenge – U.S. Policy toward Iranian Nuclear Development“. Herausgegeben vom Bipartisan Policy Center
    http://www.bipartisanpolicy.org/ht/a/GetDocumentAction/i/8448
  2. “Bipartisan” bedeutet, positiv interpretiert, dass Politiker beider Kongressparteien beteiligt sind und dass Kompromisse jenseits der Parteigrenzen angestrebt werden. Negativ gesehen geht es darum, parlamentarische und demokratische Mechanismen durch klüngelhaftes Zusammenwirken hinter den Kulissen im Vorfeld von Entscheidungen zu unterlaufen. Das Bipartisan Policy Center wurde im August 2007 von den langjährigen Senatoren Howard Baker, Tom Daschle, Bob Dole und George Mitchell gegründet. Im Vorstand des Centers sitzt mit Norman Augustine ein früherer Generaldirektor des Rüstungskonzerns Lockheed Martin. Der Vorsitzende des Centers, John W. Rowe, leitet den Energiekonzern Exelon Corporation.
    http://www.bipartisanpolicy.org/ht/d/sp/i/4380/pid/4380
  3. Daniel R. Coats und Charles S. Robb: Stopping a Nuclear Tehran. Washington Post, 23.10.2008. Die beiden Ex-Senatoren - der eine Demokrat, der andere Republikaner - sind Mitverfasser der Studie.
    http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2008/10/22/AR2008102203005.html
  4. „U.S. activities might include prolonged airdrops of food and medical supplies to Iran, as well as the need to protect and, if necessary, resettle refugee populations. These activities could last years or perhaps even decades.” – Die Autoren haben diese bedeutungsschweren Sätze ganz an den Schluss ihres Textes gesetzt, wahrscheinlich mit Bedacht. Die Begriffe „schützen“ und „umsiedeln“ könnten als Vorwand für die dauerhafte Verwandlung Irans in ein US- oder NATO-Protektorat dienen.
  5. Siehe Appendix F: Biographies of Participants, S. 86
  6. Michael Rubin: Bipartisan Policy Center’s Paper on Iran. National Review Online, 8.10.2008
    http://corner.nationalreview.com/post/?q=YTE3NGNkYTBkODU1YjM4NzA0ZWRiYmQwOWFlMzMxNmE=
  7. Ron Kampeas und Ami Eden: Obama: I get my Mideast advice from Dennis Ross. JTA, 24.8.2007
    http://www.americanintifada.com/2007/08/08-24-02.htm
    Jay Solomon: Obama’s Mideast Experts Emphasize Talks. Former Diplomats Help Senator Hone Possible Agenda. Wallstreet Journal, 16.6.2008
    http://online.wsj.com/public/article/SB121358442119676435.html?mod=special_page_campaign2008_topbox
    Natasha Mozgovaya: Dennis Ross on why he’s working for Obama and how he’d talk to Iran. Haaetz, 24.1.2008
    http://www.haaretz.com/hasen/spages/1030931.html
  8. WINEP-Website: “Our People”
    http://www.washingtoninstitute.org/templateC11.php?CID=89
  9. Wallstreet Journal, 16.6.2008, unter Berufung auf Obamas Wahlkampfstab.
    Obamas Rede:
    http://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=91150432
  10. Coats und Robb, Washington Post, 23.1.2008.
  11. “There could be a leakage in the blockade through Iranians north if cooperation with a Caspian partner is not reached. A fall-back U.S. position could involve mining Iran’s Caspian ports or conducting air interdiction of shipping to and from those ports.” (S. 71)
  12. McCain, Obama would toughen sanctions on Iran. Reuters, 7.10.2008.
    “If we can prevent them from importing the gasoline they need and the refined petroleum products, that starts changing their cost benefits analysis, that starts putting the squeeze on them.”
  13. Im Papier als “deterrence strategy” bezeichnet. (S. 69) Dabei möge man sich an Rubins oben zitierte Definition von “deterrence“ erinnern.

Knut Mellenthin

Erschienen auf “Hintergrund” am 27. Oktober 2008