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Die DNA der US-Diplomatie
Wendy Sherman ist Leiterin des US-amerikanischen Teams bei den internationalen Verhandlungen mit dem Iran. Für sie scheint Diplomatie hauptsächlich darin zu bestehen, die Gegenseite zu beleidigen. Bei einer Anhörung vorm Außenpolitischen Ausschuss des Senats antwortete sie auf eine Frage nach den Erfolgsaussichten der Gespräche: „Weil wir wissen, dass sie mit ihrem Atomprogramm fortfahren und wegen der Geschichte, auf die Sie hingewiesen haben, zur Zeit, als (der jetzige Präsident) Rouhani Chefunterhändler war, 2003 bis 2005, wissen wir auch, dass Betrug Teil der DNA ist.“
Das kann man im biologischen Sinn als „Teil der Erbanlagen“ verstehen, muss es jedoch nach dem amerikanischen Sprachgebrauch nicht unbedingt. Die Aussage lässt sich auch so interpretieren, dass Betrug im Iran üblich sei. Viel besser wird die Sache dadurch auch nicht. Ein US-amerikanischer Politiker, der in dieser Weise über die DNA von Juden oder Schwarzen schwadronieren würde, müsste zumindest mit einer längerer Zeit auf der Strafbank rechnen. Aber wenn es um den Iran geht, sieht's anders aus: Keine Empörung in den Massenmedien, keine Entschuldigung oder Relativierung Shermans, keine Distanzierung auch nur eines bedeutenden US-Politikers.
Wie Sherman ihren Job versteht und macht, zeigte sie auch, als sie vor den heute beginnenden Verhandlungen in Genf einen kleinen Umweg über Israel nahm. Dort versprach sie im Fernsehkanal 10, dass die USA zu jeder eventuellen Vereinbarung mit dem Iran vorher Israel „konsultieren“ werden. Denn „Israels Sicherheit“ sei „der Grundpfeiler“ und „es gibt keine engeren Sicherheitsbeziehungen als die zwischen uns“. Die US-Regierung werde dem Iran höchstens „sehr begrenzte, zeitweise, rückgängig zu machende Sanktionserleichterungen“ anbieten, während die „grundlegende Architektur der Öl- und Bankensanktionen“ in Kraft bleiben werde, so lange Iran nicht sämtliche Maximalforderungen erfüllt.
Das Bild wird vervollständigt durch US-Verteidigungsminister Chuck Hagel: In einem Interview mit dem Mediennetzwerk Bloomberg wies er am Montag den Vorwurf zurück, Israels Premier Benjamin Netanjahu wolle die Verhandlungen stören. Im Gegenteil, so Hagel, denn Netanjahus ständige Kriegsdrohungen hätten Iran überhaupt erst „an den Verhandlungstisch“ gebracht.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 7. November 2013