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Deutliche Worte

Die angedrohten neuen Sanktionen gegen Iran haben zu einem heftigen verbalen Schlagabtausch zwischen Teheran und Moskau geführt. Russland unterstützt ebenso wie China einen US-amerikanischen Resolutionsentwurf, der zur Zeit im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen diskutiert wird.

Auf einer Massenkundgebung in der Stadt Kerman warnte Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Mittwoch die russische Führung, „keine Situation zu schaffen, die dazu führt, dass das iranische Volk Russland unter seine historischen Feinde einreiht“. Es werde zunehmend schwieriger, das Verhalten des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zu erklären. „Wenn ich an seiner Stelle wäre, hätte ich zwei Mal über Angelegenheiten nachgedacht, die das große iranische Volk betreffen.“ Ahmadinedschad äußerte in seiner Ansprache, die im Fernsehen übertragen wurde, zugleich die Hoffnung, dass Russland „seine Position korrigieren“ und den von Iran, Brasilien und der Türkei gemeinsam getragenen Kompromissvorschlag unterstützen möge.

Als Reaktion auf diese Rede warf Sergei Prikhodko, ein außenpolitischer Spitzerberater Medwedews, Ahmadinedschad vor, er wolle „durch Demagogie seine Autorität retten“. „Russland verfolgt unverändert seine langfristigen Staatsinteressen. Unsere Position ist russisch, das heißt, sie widerspiegelt die Interessen des gesamten russischen Volkes. Sie kann weder pro-amerikanisch noch pro-iranisch sein.“ Bei Entscheidungen, „die die internationale Gemeinschaft betreffen“, könne Russland „keine Unberechenbarkeit, keinen politischen Extremismus, keine Undurchschaubarkeit, keine Inkonsequenz“ akzeptieren.

In der iranischen Öffentlichkeit hat sich angesichts des russischen Verhaltens mittlerweile ein Unmut angestaut, der zum Teil noch schärfer ist als die Formulierungen Ahmadinedschads. Politiker und Medien halten Russland insbesondere die ständige Verschiebung der Fertigstellung des Atomkraftwerks Buschehr, die vertragsbrüchige Nichtlieferung von S-300-Luftabwehrraketen und den Ausstieg russischer Energie-Unternehmen aus langjährigen Geschäftsbeziehungen vor.

Aktuell fühlt sich Iran durch die russische Reaktion auf den Teheraner Kompromissvorschlag vom 17. Mai hintergegangen. Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der in den Verhandlungen eine maßgebliche Rolle spielte, hatte auf dem Flug nach Teheran in Moskau Zwischenstation gemacht, um sich bei seinem russischen Kollegen Rückendeckung für seine Initiative zu holen. Medwedew äußerte sich über die Erfolgsaussichten zwar skeptisch, erklärte Lula aber ausdrücklich seine Unterstützung. Nach Bekanntwerden der Teheraner Dreier-Erklärung sagte Medwedew, man müsse diese jetzt sorgfältig prüfen und danach eine Entscheidung treffen. „Daher denke ich, dass uns eine kleine Pause nicht schaden könnte.“ Nur einen Tag später gab US-Außenministerin Hillary Clinton triumphierend die Zustimmung Russlands und Chinas zu neuen Sanktionen bekannt. Vertreter beider Staaten hatten in der Vergangenheit immer wieder betont, dass Strafmaßnahmen völlig ungeeignet zur Lösung des Problems seien.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 28. Mai 2010