Funktionen für die Darstellung

Darstellung:
  • Standard.
  • Aktuelle Einstellung: Druckansicht.

Seitenpfad

Dem Krieg wieder einen Schritt näher

Mit der Verschärfung der Sanktionen gegen Iran hat der UNO-Sicherheitsrat am Wochenende weiter an der Schraube der Eskalation zum Krieg gedreht. Iran ist ohne Einschränkung zuzustimmen, wenn es die Resolution als illegal bezeichnet. Für das Verlangen, Iran müsse seine Arbeiten an der Uran-Anreicherung einstellen, gibt es keine rechtliche Grundlage. Aber das selbe Gremium, das mit Zwangsmaßnahmen willkürlich aufgestellte Forderungen durchsetzen will, ist noch nicht einmal bereit, geschweige denn der Lage, etwas gegen die seit 40 Jahren andauernde schrittweise Annektion der besetzten Palästinensergebiete zu unternehmen, die einen eklatanten Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen darstellt. Jeder noch so zaghafte Schritt in diese Richtung würde sofort von einem Veto der USA verhindert werden.

Auf der anderen Seite halten Russland und China es offenbar für zweckmäßig, sich zu permanenten Erfüllungsgehilfen der amerikanischen Militärstrategie zu machen. Ob im Irak oder in Afghanistan: Die Kriegführung der NATO ist durch haarsträubende Blankovollmachten des UNO-Sicherheitsrats gedeckt, die Jahr für Jahr erneuert werden. Russland und China versuchen noch nicht einmal, diese Unterstützung an konkrete Bedingungen zu knüpfen. Selbst die Aufforderung an alle Staaten der Welt, sich mit militärischen Kontingenten an den NATO-Kriegen zu beteiligen, fehlt nicht in den alljährlich vom Sicherheitsrat abgesegneten Resolutionen. Unvergessen ist auch die Entscheidung des höchsten UNO-Gremiums im Sommer vorigen Jahres, Israels Überfall auf den Libanon als "legitime Selbstverteidigung" zu rechtfertigen und der Aggression wochenlang tatenlos zuzusehen.

Der iranische Außenminister Manuchehr Mottaki erinnerte am Wochenende auch an das Verhalten des Sicherheitsrats nach dem irakischen Überfall im September 1980: Sieben Tage habe das Gremium damals abgewartet. Dann, als Saddam Husseins Truppen schon 30.000 Quadratkilometer iranisches Gebiet erobert hatten, verabschiedete der Rat eine Resolution, die beide Seiten zur Einstellung der Kämpfe aufforderte, ohne die Aggression zu verurteilen und den Rückzug der Iraker zu verlangen. Jahrelang habe der Rat es dann abgelehnt, sich mit den eindeutigen Beweisen für den Einsatz von Giftgas durch die irakischen Streitkräfte zu befassen, klagte Mottaki.

Alle Tatsachen sprechen jetzt dafür, dass sich nicht nur die europäischen Staaten, sondern auch Russland und China mit der Unvermeidlichkeit des nächsten Krieges bereits abgefunden haben. Denn dass Iran unter dem Druck immer schärferer Sanktionen kapituliert oder dass es zu dem von den USA angestrebten "Regimewechsel" kommt, ist äußerst unwahrscheinlich. Das ist keine Frage der Ehre, sondern der bitteren, alternativlosen politischen Notwendigkeit: Iran kann sich von einem Einknicken vor den willkürlichen Ultimaten des Sicherheitsrats keine Besserung seiner Lage versprechen, sondern nur weitere, sich steigernde Erpressungen und Demütigungen. Ein iranisches Nachgeben würde vom Westen zudem als Beweis ausgeschlachtet, dass wirklich geheime Atomwaffenpläne existieren.

Was den kommenden Krieg angeht, hat Joschka Fischer, der ihn als Außenminister selbst mit angeschoben hat, vorausgesagt, dass er nicht nur für die Region, sondern auch für die Welt noch schlimmere Folgen haben werde als der Irak-Feldzug und dass er das "Rezept für ein Desaster" sei. So ist es.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. März 2007