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Bewegung im Atomstreit

Am Rande der UN-Vollversammlung will Iran seine neue Außenpolitik vorstellen. Israelischer Minister fordert Ende der Verhandlungen mit Teheran.

Irans Präsident Hassan Rouhani hat in den vergangenen Tagen mehrfach die Entschlossenheit seines Landes bekräftigt, unter keinen Umständen Atomwaffen zu entwickeln. Am morgigen Dienstagnachmittag wird Rouhani vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sprechen – wenige Stunden nach seinem US-amerikanischen Amtskollegen Barack Obama, der dort am Vormittag erwartet wird. Es wird nicht ausgeschlossen, dass es zumindest zu einer kurzen Begrüßung zwischen den beiden Politikern kommen könnte. Das wäre, wenn auch wohl nur in knappster symbolischer Form, die erste Begegnung zwischen den Präsidenten beider Länder seit dem Sturz des von den USA unterstützten Schah-Regimes im Januar 1979. 

Unabhängig davon werden sowohl Rouhani, der am Sonntag in New York eintraf, als auch sein Außenminister Mohammed Dschawad Zarif, der sich schon seit Donnerstag dort aufhält, am Rand der Vollversammlung eine Reihe von Gesprächen führen, in denen es hauptsächlich um den Atomstreit, aber auch um die Lage in Syrien gehen dürfte.

Zarif wird voraussichtlich am heutigen Montag mit der Außenpolitik-Chefin der Europäischen Union, Catherine Ashton, zusammentreffen. Sie ist Sprecherin der sogenannten Sechsergruppe, die die internationalen Verhandlungen mit dem Iran führt. Der auch als „5+1“ bezeichnete Kreis besteht aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien, erweitert durch Deutschland. Es wird damit gerechnet, dass Ashton und Zarif anschließend den Termin für eine neue Verhandlungsrunde, vermutlich im Oktober, bekanntgeben. Die letzte Begegnung zwischen Vertretern der Sechsergruppe und des Iran hatte im April in Kasachstan stattgefunden.

Am Donnerstag wollen sich, ebenfalls in New York, die Außenminister der Sechsergruppe treffen, um das weitere Vorgehen im Atomstreit abzustimmen. Möglicherweise wird zeitweise auch Zarif an diesen Gesprächen teilnehmen. Der Außenminister wurde vor einigen Wochen von Rouhani zum neuen Chefunterhändler ernannt.

Sicher scheint, dass Zarif in New York seinen britischen Amtskollegen William Hague treffen wird. Dabei soll es vor allem um die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen beiden Ländern gehen, die seit November 2011 unterbrochen sind. Auslöser waren Studentendemonstration gegen die britische Botschaft in Teheran. Vielleicht wird Zarif auch zumindest eine kurze Begegnung mit US-Außenminister John Kerry haben.  

Vor diesem Hintergrund verstärkt sich bei der israelischen Regierung und ihrer Lobby in den USA die Sorge, dass es zu zu einer diplomatischen Annäherung zwischen Iran und dem Westen kommen könnte. Premier Benjamin Netanjahu warnte in der vergangenen Woche die gesamte Welt davor, „auf Rouhanis betrügerische Worte hereinzufallen“, und forderte „glaubwürdige“ militärische Drohgesten gegen Iran. Der Minister für strategische Angelegenheiten Juval Steinitz, ein enger Vertrauter Netanjahus, wärmte die von Israels Regierung schon seit über zwanzig Jahren strapazierte Behauptung auf, dass Iran in sechs Monaten Atomwaffen haben könnte. Für weitere Verhandlungen sei keine Zeit mehr, sagte Steinitz am Freitag der Tageszeitung Israel HaJom, und erneuerte die alten Drohungen mit einem militärischen Alleingang.   

Die US-amerikanische Israel-Lobby, das AIPAC, veröffentlichte am Freitag einen scharf formulierten Forderungskatalog an die Obama-Regierung und den Kongress. Neben zusätzlichen Sanktionen, die vor allem auf einen Wirtschaftskrieg gegen China und andere Handelspartner Irans hinauslaufen würden, verlangt das AIPAC, „die Glaubwürdigkeit militärischer Aktionen gegen Irans Atomprogramm zu verstärken“. Senator Lindsey Graham, neben seinem Kollegen John McCain der lauteste Kriegshetzer in den Reihen der Republikaner, kündigte bereits am Sonntag vor einer Woche eine Initiative im Kongress an, die Obama im Voraus zu Kriegshandlungen gegen Iran ermächtigen soll.    

Knut Mellenthin

Junge Welt, 23. September 2013