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Aufgewärmte Drohkulisse

„USA verstärken Kräfte im Persischen Golf als Signal an Iran“ meldete die New York Times am 3. Juli. Die neokonservativen Fox News legten kurz darauf nach mit der Schlagzeile „USA bauen Präsenz im Persischen Golf während iranischer Raketentests aus“. Daraus machte Spiegel Online noch ein paar Stunden später: „Als Reaktion auf die Provokationen aus Teheran haben die USA ihre Militärpräsenz in der Region deutlich ausgeweitet.“

Das einzige wirklich Aktuelle an diesen Geschichten war die dreitägige iranische Militärübung, bei der Raketen unterschiedlicher Typen und Reichweiten – von 300 bis 1300 Kilometer - erprobt wurden. Alles andere lag bereits Wochen oder Monate zurück. Die jetzt gemeldete Verdoppelung der Minensucher in der Golfregion von vier auf acht zum Beispiel war von der US-Navy schon am 15. März offiziell angekündigt worden. Am 11. Juni hatte die Nachrichtenagentur UPI gemeldet, dass die Verlegung der Schiffe nach Bahrain, dem Hauptquartier der 5. US-Flotte, abgeschlossen sei. Die jetzt aufgewärmte Stationierung von Kampfflugzeugen der Typen F-22 und F-15C auf zwei nicht näher bezeichneten Stützpunkten in der Golfregion war bereits seit Ende April bekannt.

Indessen gibt es neue Spekulationen über iranische Absichten, als Reaktion auf die westlichen Sanktionen die Straße von Hormus zu schließen, durch die ein großer Teil des internationalen Ölhandels verläuft. Nach iranischer Interpretation, der aber international niemand zustimmt, gehört die gesamte Meerenge zum Territorium Irans. Seit Montag wird über einen Gesetzentwurf des Parlamentsausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik berichtet, der angeblich die Regierung in Teheran bevollmächtigen soll, Tankschiffen die Durchfahrt zu verweigern, sofern sie zu Nationen gehören, die sich an den Sanktionen beteiligen. Verschiedene Medien meldeten, dass bis Sonntag 100 der 290 Abgeordneten den Entwurf unterschrieben hätten. Iranische Agenturen berichteten am Dienstag, dass der Sprecher des Außenministeriums, Ramin Mehman-Parast, die Initiative „begrüßt“ habe.

Erfahrungsgemäß sind solche Nachrichten aber mit Vorsicht zu betrachten: Längst nicht alles, was einige iranische Politiker und Journalisten ankündigen, wird auch wirklich in die Tat umgesetzt. In einer gemeinsamen Stellungnahme von 220 Abgeordneten zum Beginn des EU-Ölboykotts, die am Dienstag veröffentlicht wurde, finden sich zwar scharfe Worte, aber keinerlei Drohungen oder auch nur ein Hinweis auf die Straße von Hormuz.

Ebenfalls am Dienstag trafen sich im türkischen Istanbul Vertreter Irans und der Sechsergruppe – bestehend aus USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, China und Russland – zu einer weiteren Gesprächsrunde über das iranische Atomprogramm. Diesmal ging es darum, dass Experten beider Seiten klären sollten, wie weit die konträren Vorschläge wirklich auseinander liegen und ob sie tendenziell überbrückbar sein könnten. Auf dieser Grundlage soll entschieden werden, ob es nach den vorangegangenen Treffen in Istanbul, Bagdad und Moskau zu einer weiteren Begegnung auf höherer politischer Ebene kommt.

Wie üblich gab es keine offiziellen Mitteilungen über den Verlauf der Gespräche, die den ganzen Dienstag und bis in frühen Mittwochstunden dauerten. Als nächstes sollen nun die Stellvertreter der EU-Außenpolitikchefin Catherine Ashton und des iranischen Chefunterhändlers Said Dschalili miteinander sprechen. Ein Datum dafür steht noch nicht fest.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 6. Juli 2012