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Atomstreit: Kritik am Resolutionsentwurf der Sechsergruppe
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat sich dafür ausgesprochen, die Änderungsanträge von Südafrika, Indonesien und Katar zur geplanten Iran-Resolution des UNO-Sicherheitsrats "äußerst sorgsam zu erörtern" und nicht rundheraus abzulehnen. Er sehr die Möglichkeit, den Kritikern "bei einigen Punkten auf halbem Wege entgegen zu kommen, um ein einstimmiges Ergebnis zu erreichen", sagte Russlands Vertreter bei den Vereinten Nationen, Witali Tschurkin. Damit ist die von den USA angestrebte schnelle Verabschiedung neuer Strafmaßnahmen noch in dieser Woche unwahrscheinlich geworden.
Die Sechsergruppe, zu der neben Russland die USA, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien gehören, hatte sich in der vorigen Woche auf einen gemeinsamen Resolutionsentwurf geeinigt. Er sieht eine erhebliche Ausweitung der vom Sicherheitsrat am 23. Dezember beschlossenen Sanktionen vor. Das höchste UNO-Gremium hatte Iran damals 60 Tage Frist für die Einstellung aller Arbeiten an der Uran-Anreicherung gesetzt.
Die im Dezember beschlossene Resolution fordert die Staatengemeinschaft auf, die Belieferung Irans mit allen Gütern zu verhindern, die mit der Uran-Anreicherung, mit dem Bau eines Schwerwasser-Reaktors oder der Entwicklung atomwaffenfähiger Trägersysteme (Raketen) zu tun haben könnten. Verboten ist auch jede Form von technischer Unterstützung Irans in diesen drei Punkten. In einem Anhang zur Resolution werden zahlreiche Objekte benannt, auf die sich das Verbot bezieht. Eine Ausnahme gilt ausdrücklich für den Leichtwasserreaktor bei Buschehr, der von russischen Firmen gebaut wird und vertragsgemäß Ende 2007 betriebsfertig sein soll. Die Auslandskonten von elf namentlich genannten Iranern, die in Zusammenhang mit den von den Sanktionen betroffenen Vorhaben stehen sollen, wurden eingefroren. Ihre Reisetätigkeit muss einer eigens gebildeten Kommission des Sicherheitsrates gemeldet werden. Eingefroren wurden auch die Auslandskonten mehrerer Institutionen, darunter die der Iranischen Atomenergiebehörde.
Kernstück der zusätzlichen Sanktionen soll nach dem Entwurf der Sechsergruppe ein Verbot der Ausfuhr von Waffen aus dem Iran sein. Das könnte von den USA als Vorwand für eine Seeblockade gegen Iran ausgenutzt werden. Die Liste der Personen, Organisationen und Unternehmen, deren Konten einzufrieren sind, soll erweitert werden. Erstmals stehen nun mehrere hochrangige Mitglieder der Revolutionsgarden und die Großbank Sepah mit auf der Liste.
Mehreren von Amerikanern und Europäern geforderten Strafmaßnahmen hatten sich Russland und China in den Vorgesprächen widersetzt. Sie finden sich nun im gemeinsamen Resolutionsentwurf lediglich als Appelle wieder. So die Mahnung an alle Staaten, Waffenlieferungen und militärtechnische Unterstützung für Iran mit "Wachsamkeit und Zurückhaltung" zu handhaben. Staaten und Finanzinstitutionen werden darüber hinaus aufgerufen, keine neuen Verpflichtungen für Anleihen, Finanzhilfen und Bürgschaften einzugehen. Iran soll erneut aufgefordert werden, innerhalb von 60 Tagen die Uran-Anreicherung einzustellen.
Südafrika will die meisten zusätzlichen Strafmaßnahmen, die mit dem iranischen Atomprogramm nichts zu tun haben, kippen. Darüber hinaus schlägt Südafrika vor, alle Sanktionen, auch die bereits geltenden, für 90 Tage auszusetzen, um einen Neustart der Verhandlungen zu ermöglichen. Wieweit Indonesien und Katar Änderungswünsche haben, ist noch nicht bekannt. Auf jeden Fall wollen sie die Forderung nach Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten zum Bestandteil der Resolution machen. Einzige Atommacht der Region ist Israel. Die US-Regierung widersetzt sich deshalb regelmäßig dieser Forderung.
Knut Mellenthin
Junge Welt, 23. März 2007