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Irak will Camp Aschraf schließen

Europa-Parlamentarier fordern Eingreifen der USA

Die irakische Regierung hat die Absicht, den MEK-Stützpunkt Camp Aschraf zu schließen. Das wurde am Mittwoch bekannt. Einen Tag vorher hatten Sicherheitskräfte das Lager besetzt, in dem rund 3500 Exil-Iraner leben. Sie sollen nun in einer neuen Umgebung, in größerer Entfernung von der iranischen Grenze, angesiedelt werden oder den Irak verlassen. Eine Abschiebung in den Iran schlossen irakische Sprecher aus. Rund 1000 der in Camp Ashraf lebenden MEK-Anhänger haben angeblich Pässe westlicher Länder. Da die EU vor einigen Monaten die Einstufung der MEK als „terroristische Organisation“ aufgehoben hat, sollte der Aufnahme von bisherigen Camp-Bewohnern in Europa nichts im Wege stehen.

In einer gemeinsamen Erklärung haben die beiden Spitzenpolitiker des Außenpolitischen Ausschusses des amerikanischen Abgeordnetenhauses, der Demokrat Howard Berman und die Republikanerin Ileana Ros-Lehtinen, ihre „Besorgnis“ über das Vorgehen gegen die MEK bekundet. Die irakische Regierung habe mit den USA ein Abkommen unterzeichnet, das die Sicherheit und den Schutz der Bewohner von Camp Aschraf garantiert, und müsse sich daran halten. Beide Abgeordnete sind führende Repräsentanten der Israel-Lobby im Kongress. Die in Havanna geborene Ros-Lehtinen vertritt außerdem auch die rechten Exil-Kubaner.

Eine sehr viel schärfere Stellungnahme hat der Vorsitzende der „Freunde eines Freien Iran“ im Europa-Parlament, Struan Stevenson, abgegeben. Er fordert im Namen der gesamten Parlamentariergruppe die US-Regierung auf, „sofort einzugreifen, um weiteres Blutvergießen zu verhindern“. Camp Aschraf müsse wieder unter den Schutz der US-Streitkräfte gestellt werden. – Der MEK-Freundeskreis vereint in vermutlich einmaliger Weise Abgeordnete aus dem gesamten politischen Spektrum: Von den ausländerfeindlichen Rechtspopulisten bis zur Linken, darunter der Deutsche André Brie. Im Mai hatten 103 Europa-Parlamentarier in einem offenen Brief an US-Präsident Barack Obama gefordert, die MEK von der Terrorliste zu streichen, da sie „klar demonstriert“ habe, „dass sie ein Freund des Westens ist“.

Im Iran wurde das Vorgehen gegen die MEK erwartungsgemäß begrüßt. Parlamentspräsident Ali Laridschari erklärte, die Aktion sei zwar recht spät gekommen, aber der Entschluss der irakischen Regierung sei dennoch „bewundernswert“.

Die ehemals linke Organisation MEK, auch bekannt unter Namen wie „Volksmudschaheddin“ und „Nationaler Widerstandsrat“, hatte nach dem Sieg der islamischen Kräfte im Iran ihren Schwerpunkt ins Ausland verlegt. Bereitwillige Aufnahme fand sie im Irak Saddam Husseins, der im September 1980 einen Angriffskrieg gegen Iran begonnen hatte. Angehörige der MEK beteiligten sich mit eigenen, von der irakischen Regierung ausgerüsteten Einheiten am Krieg. Angeblich wurden sie von Saddam Hussein auch zur Niederschlagung von Aufständen innerer Gegner – Schiiten und Kurden – eingesetzt.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 31. Juli 2009