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"And the winner is..."
Der irakische Kuchen wird verteilt
Nach der Zerstörung des Irak durch den Golfkrieg (1980-88), durch zwei von den USA geführte Kriege (1991 und 2003) und durch verheerende Sanktionen (seit 1991 bis heute) winken nun profitable und langfristige Großaufträge für den Wiederaufbau. Die Plätze in der ersten Reihe sind vorerst ausschließlich für US-amerikanische Konzerne reserviert.
Der Bau-Riese Bechtel war in der vorigen Woche Hauptgewinner: Er bekam den bisher größten Auftrag, der von der US Agency for International Development (USAID) für Arbeiten im besetzten Irak vergeben wurde. USAID untersteht dem Außenministerium und gilt als CIA-beeinflusst. Genau dasselbe wird auch dem Bechtel-Konzern seit Jahrzehnten nachgesagt. Das Geschäft bleibt also in der Familie. Ehemaliger Präsident und immer noch Direktoriumsmitglied von Bechtel ist George Schultz, Außenminister unter Reagan. Shultz ist außerdem Beiratsvorsitzender des "Komitees für die Befreiung des Irak" (CLI), in dem sich politisch, finanziell und militärisch interessierte Prominente zusammengefunden haben.
Bechtel verdient seit Jahrzehnten gut an den Aggressionskriegen der USA. So baute der Konzern während des Vietnam-Kriegs den Luftwaffen-Stützpunkt Danang. Der jetzt geschlossene Kontrakt mit der USAID macht Bechtel zum Hauptträger beim Wiederaufbau der irakischen Infrastruktur. Dazu gehören Reparaturarbeiten an Kraftwerken, Stromnetzen, Wasser- und Abwässer-Systemen, Flughäfen, Krankenhäusern, Schulen und Regierungsgebäuden. Ausgenommen ist der ganze Bereich der Öl-Produktion, für den bereits der Halliburton Konzern den Zuschlag erhalten hat.
Die erste Phase der Bechtel übertragenen Arbeiten hat lediglich einen Wert von 34,6 Millionen Dollar. Doch kann das gesamte Auftragsvolumen im Lauf der nächsten 18 Monate, vorbehaltlich der Zustimmung des Kongresses, auf bis zu 680 Millionen aufgestockt werden.
Hauptauftraggeber für den Wiederaufbau im besetzten Irak ist allerdings nicht USAID und damit das Außenministerium, sondern das Pentagon. Das amerikanische Verteidigungsministerium hat noch während des Krieges ganz schnell einen Riesenauftrag an die Firma Kellog Brown & Root vergeben, die zum Halliburton Konzern gehört. Der Vorgang sorgte für Kritik, erstens weil kein formales Ausschreibungsverfahren eröffnet wurde, Mitbewerber also chancenlos waren, und zweitens weil Halliburton eng mit Vizepräsident Dick Cheney verbunden ist, der bis zum Eintritt in die Regierung Ende 2000 Generaldirektor des Konzerns war.
Kellog Brown & Root soll zunächst Lösch- und Wiederinstandsetzungsarbeiten an brennenden Ölquellen ausführen. Hinzu kommen könnte künftig die Modernisierung und der Ausbau der irakischen Öl-Industrie, die nach fast 20 Jahren Krieg und Embargo in sehr schlechtem Zustand ist. Deshalb wird der mögliche Gesamtwert des Kontrakts zwischen Pentagon und Halliburton auf bis zu 7 Milliarden Dollar in den nächsten zwei Jahren geschätzt. Beantragt hat die Regierung beim Kongress bisher 489 Mio. Dollar.
Ebenfalls auffällig schnell hat das Pentagon auch Verträge mit weiteren US-Unternehmen geschlossen. Der Kontraktwert ist jeweils 100 Millionen Dollar. Gegenstand sind allgemein Wiederaufbauarbeiten im Irak und Afghanistan, die aber in den Verträgen noch nicht konkret definiert sind. Partner sind Washington Group International Inc., Fluor Corp. und Perini Corp.
Die US-Regierung ist offensichtlich bemüht, den Kuchen der Großaufträge sehr schnell an amerikanische Unternehmen auszuteilen. Nationalisierung der Gewinne, aber Internationalisierung der Kosten ist die Devise. Als flankierende Maßnahme hat das Abgeordnetenhaus am 6. April fast einstimmig einen Zusatz zum Haushalt verabschiedet, der Frankreich, Deutschland, Russland und Syrien von Aufträgen beim Wiederaufbau des Irak ausschließt.
Knut Mellenthin
Neues Deutschland, 23. April 2003