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Somalia: Von der Piratenjagd zur Militärintervention

Die Bundesregierung will, einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge, bis zu 1400 Mann zur Piratenbekämpfung nach Nordostafrika schicken. Zum Kontingent soll eine Fregatte gehören, deren Personalerfordernis in der FAZ mit 500 Mann angegeben wird. Bleibt die Frage nach den übrigen 900 Mann. Das Blatt will erfahren haben, dass Bundeswehrsoldaten auf deutschen Frachtern als „Sicherungskommandos“ mitfahren sollen.

Die Bundesregierung wollte den Bericht der FAZ am Dienstag nicht bestätigen. Die Verhandlungen zwischen den Ressorts dauerten noch an und im Parlament gebe es unterschiedliche Positionen, hieß es aus dem Verteidigungsministerium.

Spiegel Online meldete am Montag, dass die Beschlussvorlage für das Kabinett am 3. Dezember, spätestens am 10. Dezember fertig sein soll. Über den Regierungsbeschluss solle dann bis zum 19. Dezember im Bundestag abgestimmt werden. Allerdings will die Europäische Union schon am 8. Dezember ihre längst gefallene Entscheidung für die Entsendung eines eigenen Flottenverbandes zum Horn von Afrika förmlich absegnen. Die Bundestagsmehrheit wird also die deutsche Beteiligung an diesem Unternehmen nur noch abnicken – obwohl heute noch nicht einmal bekannt ist, wie das Mandat aussehen wird. „Robust“ soll es jedenfalls sein, weiß CDU-Politiker Karl Lamers jetzt schon, und es soll die Bundeswehr berechtigen, mutmaßliche Piratenschiffe zu beschießen und zu versenken.

Deutschland ist ohnehin schon mit einer Fregatte am Abschrecken und Abwehren von Piratenangriffen beteiligt. Derzeit ist das die „Mecklenburg-Vorpommern“, die über einen Bordhubschrauber verfügt und schon mehrmals im direkten Einsatz war, zuletzt am Wochenende. Das Schiff gehört zu der internationalen Task Force 150, die als Teil der „Operation Enduring Freedom“ in Dschibuti stationiert ist und seit einiger Zeit Frachter-Convoys im Golf von Aden begleitet. Die Obergrenze des deutschen Beitrags zur OEF liegt bei 800 Mann.

Schon in den allernächsten Tagen wird das Thema auch den UN-Sicherheitsrat beschäftigen. Der hatte am 2. Juni mit der Resolution 1816 alle Staaten aufgerufen, sich an der Piratenbekämpfung rund um das Horn von Afrika zu beteiligen. Das beinhaltet für einen nun zu Ende gehenden Zeitraum von sechs Monaten auch das Recht, in den Territorialgewässern Somalias zu operieren und dort „alle erforderlichen Mittel anzuwenden, um Akte der Piraterie und des bewaffneten Raubes zu unterdrücken“. Die von äthiopischen Interventionstruppen gestützte, demokratisch nicht legitimierte somalische Übergangsregierung hatte dieser Beschränkung ihrer Souveränität nicht nur zugestimmt, sondern geradezu darum gebeten.

Möglicherweise werden die USA und Russland nun gemeinsam die Initiative ergreifen, um im Sicherheitsrat eine neue Resolution verabschieden zu lassen, die auch Militäroperationen an Land erlaubt. Der russische Botschafter bei der NATO, Dmitri Rogoschin, hatte schon am Mittwoch voriger Woche gefordert, dass NATO, EU und Russland gemeinsam oder koordiniert „Küstenoperationen“ durchführen sollten, „um die Stützpunkte der Piraten an Land auszulöschen“. Ähnlich argumentierte am Montag Charles Dragonette vom Geheimdienst der US-Marine auf einem Seminar der rechten Heritage Foundation: „Der Kampf wird nicht auf See entschieden. Der Kampf muss an Land geführt werden.“

Das setzt jedoch nachhaltige Militäraktionen im Hinterland der bekannten „Piratennester“ und eine langzeitige Besetzung von Territorium voraus. Letztlich wäre es der Weg zu einer großangelegten Militärintervention in Somalia.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 26. November 2008