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Im Namen des deutschen Volkes: Tornados über Afghanistan

Der Bundestag entscheidet heute über den Einsatz von sechs bis acht Tornado-Kampfflugzeugen im Afghanistan-Krieg der NATO. Die Maschinen sollen durch Luftaufklärung die Offensiv-Operationen der Bündnispartner unterstützen, können mit ihren Bordkanonen aber auch Ziele am Boden angreifen.

An der Zustimmung des Hohen Hauses besteht von vornherein kein Zweifel. Interessant wird aber die Zahl der Nein-Stimmen sein. Zum Vergleich: Im September 2005 stimmten neben den damals nur zwei Abgeordneten der PDS 12 weitere Volksvertreter gegen die Verlängerung des Bundeswehr-Mandats. Ein Jahr später waren es 71 Nein-Stimmen, darunter 53 von der Linkspartei-PDS. Heute könnte die Zahl der Gegner einer Kriegseskalation über 100 liegen, falls alle Abgeordneten, die sich in den vergangenen Wochen kritisch zum Tornado-Einsatz geäußert haben, standfest bleiben.

Dass ein Ja bei der heutigen Abstimmung Deutschlands Unterstützung für die angestrebte militärische "Entscheidungsschlacht" signalisiert, sollte allen Abgeordneten klar sein. Durch den Beginn der NATO-"Frühjahrsoffensive" am Dienstag wurde nochmals auf diesen Zusammenhang hingewiesen.

Einige Abgeordnete werden ihre Zustimmung zum Tornado-Einsatz mit Appellen für einen "Strategiewechsel" im Afghanistan-Krieg rechtfertigen. Soll heißen: Dem "zivilen Wiederaufbau des Landes" müsse Priorität vor militärischen Aktionen eingeräumt werden. Das ist bestenfalls Wunschdenken, in Wirklichkeit aber wohl doch eher Heuchelei. Es gibt seitens der USA, die mehr als die Hälfte der kriegführenden Truppen in Afghanistan stellen, und auch seitens ihres Juniorpartners Großbritannien keinerlei Hinweise, dass ein solcher "Strategiewechsel" beabsichtigt sein könnte.

Im Gegenteil: In einer Art von Torschlusspanik will die NATO in diesem Jahr den Aufständischen durch Großoffensiven "das Rückgrat brechen", solange das noch möglich erscheint. Denn in großen Teilen Afghanistans, vor allem im Süden und Südosten, hat fünfeinhalb Jahre nach Kriegsbeginn der Widerstand die Macht übernommen. Gegen einen solchen Aufstand kann selbst eine militärisch weit überlegene Macht keine "Entscheidungsschlacht" erzwingen. Sondern sie kann nur versuchen, die mit den Aufständischen sympathisierende Bevölkerung einzuschüchtern, zu terrorisieren oder sie zwangsweise aus ihren Dörfern zu vertreiben. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, dass dem Aufstand immer neue Kräfte zugeführt werden, groß. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Bundestag auch über den Einsatz deutscher Soldaten zur direkten Aufstandsbekämpfung entscheiden muss.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 8. März 2007