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Die Kriege der Bundeswehr sind soft und light - aber sie werden es nicht bleiben

Am 10. Juli starten 780 deutsche Soldaten zum Einsatz in Zentralafrika. Deutschlands Freiheit wird dann nicht nur am Hindukusch verteidigt, wie der frühere Verteidigungsminister Struck (SPD) prahlte, sondern auch am Kongo.

Insgesamt nehmen an der zunächst auf sieben Monate geplanten Mission, die angeblich dem Schutz der Wahlen im Kongo dienen soll, rund 3500 Soldaten aus 18 europäischen Ländern teil. Die Beiträge der meisten EU-Staaten sind aber nur symbolischer Natur. Neben Deutschland stellt lediglich Frankreich mit 850 Mann ein großes Kontingent.

Den Oberbefehl über die Kongo-Mission führt erstmals ein Deutscher: General Karlheinz Viereck, dessen Kommandozentrale sich in Potsdam befindet. So wichtigen Leuten werden von der Presse auch schon mal heikle Fragen gestellt. Beispielsweise: Werden Ihre Soldaten auch auf bewaffnete Kinder schießen? Für General Viereck kein Problem: "Wenn ein Kindersoldat mit geladener Waffe vor einem meiner Soldaten steht, hoffe ich, dass er genauso reagieren wird, wie wenn ein Erwachsener vor ihm steht." In einer "Duellsituation" dürfe es kein Zögern geben.

Militärisch gesehen völlig logisch. Aber politisch nicht sehr geschickt. Viereck wurde prompt von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) korrigiert: Ein Einsatz der Bundeswehr gegen Kindersoldaten sei nicht vorgesehen. Der Einsatz der deutschen Soldaten sei strikt auf die Hauptstadt Kinschasa beschränkt. Und dort gebe es überhaupt keine Kindersoldaten. Punkt. So einfach ist das.

Das kleine Geplänkel zwischen dem General und seinem Verteidigungsminister ist typisch für den Umgang der Deutschen mit dem Thema Krieg: Um als militärisch ernst zu nehmende Großmacht zu gelten, schickt man ohne Nachdenken Bundeswehrsoldaten auf die entlegensten Kriegs- und Bürgerkriegsschauplätze. Aber vor der logischen Konsequenz - dass im Krieg manchmal auch geschossen und gebombt wird - verschließt man die lieber die Augen. Schießen und bombardieren tun höchstens mal unsere Partner und Verbündeten. Damit hat die Bundeswehr, die an ihrer Seite steht, nichts zu tun.

Sachlich gesehen hat Minister Jung zunächst einmal Recht: Die 300 Bundeswehrsoldaten, die jetzt in den Kongo fliegen, werden ausschließlich am Flughafen von Kinschasa stationiert; die übrigen deutschen Militärangehörigen werden im benachbarten Gabun bereit gehalten. Für Kampfeinsätze in Kinschasa oder vielleicht auch in anderen Teilen des Kongo wären die französischen Soldaten zuständig. Das jedenfalls ist bisher die vereinbarte Arbeitsteilung. Kommandiert werden allerdings Deutsche ebenso wie Franzosen von General Viereck in Potsdam. Und dessen Meinung über die Kriegführung gegen Kindersoldaten hat die Welt soeben vernommen. Insofern läuft das ohnehin fragwürdige Argument des deutschen Verteidigungsministers - in Kinschasa gebe es überhaupt keine Kindersoldaten - auf eine ganz dumme Ausrede, auf eine schäbige Flucht vor der Verantwortung hinaus.

Außerdem: Mandate sind wandelbar, Versprechen sind brechbar. Als die Bundeswehr vor viereinhalb Jahren nach Afghanistan geschickt wurde, war ihr Einsatz ganz strikt auf die Hauptstadt Kabul beschränkt. Seit der letzten Mandatserneuerung durch den Bundestag am 28. September vorigen Jahren können deutsche Soldaten überall in Afghanistan eingesetzt werden. Der CDU-Politiker Andreas Schockenhoff hat schon im Mai vorausgesagt, er könne sich nicht vorstellen, dass eine Fraktion des Bundestages einen "Notfalleinsatz" deutscher Soldaten außerhalb der kongolesischen Hauptstadt Kinschasa verweigern würde. Das ist natürlich zu vollmundig formuliert. Aber dass eine Ausdehnung des deutschen Einsatzauftrags im Kongo keine Mehrheit im Bundestag finden würde, ist tatsächlich höchst unwahrscheinlich. Denn sie liegt in der Logik dieses militärischen Unternehmens.

Die Kongo-Mission ist von vornherein auf Erweiterung angelegt: Nur 800 EU-Soldaten - mehrheitlich Franzosen - werden sofort im Kongo stationiert. 1.200 werden im Gabun bereit stehen, und eine "strategische Reserve" von 1.500 Soldaten wartet in Europa auf ihren Einsatz. Laut Resolution des UNO-Sicherheitsrats vom 25. April sollen die EU-Truppen "alle notwendigen Maßnahmen ergreifen", um der schon seit 1999 laufenden UNO-Mission MONUC bei der "Stabilisierung der Lage" zu helfen. Das ist ein äußerst weit gefasstes Mandat, dem die EU mit den zunächst vorgesehenen gerade mal 500 mobilen Soldaten im Kongo selbstverständlich überhaupt nicht gerecht werden kann. Zumal MONUC 17.000 Soldaten zählt und derzeit mit weitem Abstand die größte UNO-"Friedensmission" überhaupt ist. Wenn die EU-Mission mehr sein soll als eine Stabsübung und eine symbolische Dekoration für die umstrittene Kriegsführung der MONUC, ist eine Aufstockung der Personalzahl vor Ort und ihr Einsatz auch und vor allem außerhalb der Hauptstadt unvermeidlich.

Selbst falls die Bundeswehrsoldaten sich wirklich vom Flughafen Kinschasa nicht wegbewegen und falls sie keinen einzigen Schuss abgeben sollten, ist ihr Einsatz politisch und ethisch nicht isoliert von der Kriegführung der MONUC zu betrachten. Außerdem wird der unmittelbare Zusammenhang der beiden scheinbar getrennten Missionen schon durch die UNO-Resolution vom 25. April hergestellt. Dass in Deutschland weder Politiker noch Medien diesen engen Zusammenhang anerkennen und diskutieren, verwundert freilich nicht. Auch das gehört zur Flucht aus der Verantwortung oder zur Ignoranz gegenüber dem, was Krieg real bedeutet.

Was also machen die OMUC-"Peacekeeper" im Kongo? Sie führen gemeinsam mit den kongolesischen Regierungstruppen großangelegte Angriffsoperationen gegen oppositionelle Milizen vor allem im Osten des Landes durch. Die britische Tageszeitung Observer schilderte am 18. Juni einen solchen Einsatz südafrikanischer und pakistanischer UNO-Truppen in der Provinz Ituri gegen Dörfer der Volksgruppe der Walendu. Zunächst hätten die UNO-Kräfte massiv gegen ihre Einsatzvorschriften verstoßen, indem sie trotz erkennbarer Anwesenheit von Frauen und Kindern Dörfer mit Mörsern und schweren Maschinengewehren beschossen. Anschließend sei den unter Drogen und Alkohol stehenden Regierungstruppen das Plündern und Niederbrennen von mehr als einem Dutzend "eroberter" Dörfer überlassen worden. Bewohner seien in ihren Hütten verbrannt worden, es habe Vergewaltigungen und Folterungen gegeben. Bei dieser "Militäroperation" habe es sich keineswegs um einen Einzelfall gehandelt, schrieb der Observer.

Die einen stehen einfach nur Wacht am Flughafen, die anderen beschießen Frauen und Kinder und machen den Weg für Plünderungen und Vergewaltigungen frei. Aber als Soldaten sind sie Teil ein und desselben verbrecherischen Unternehmens.

Nicht ganz so krass, aber strukturell ähnlich ist die Situation in Afghanistan. Die Bundeswehr beteiligt sich seit Anfang 2002 an der ISAF (International Security Assistance Force), die zwar von der UNO mandatiert ist, aber unter dem Befehl der NATO steht. Anfangs waren es nur einige hundert deutsche Soldaten. Ihr Einsatzauftrag war auf Kabul begrenzt, das damals als völlig sicher galt. Inzwischen ist die Bundeswehr in Afghanistan mit rund 2.400 Soldaten präsent, deren Zahl jederzeit auf bis zu 3.000 aufgestockt werden könnte. Neben Kabul sind deutsche Soldaten seit 2003 auch im Norden des Landes stationiert. Abgesehen vom Südosten, der immer noch den unabhängig von der ISAF operierenden US-Streitkräften vorbehalten ist, wurde das Mandat der ISAF inzwischen auf ganz Afghanistan ausgedehnt. Praktisch bedeutet das, dass die ISAF zunehmend Aufgaben der Aufstandsbekämpfung mitträgt, für die bisher fast ausschließlich amerikanische Soldaten zuständig waren. Entsprechend findet eine nicht offiziell beschlossene und fixierte, sondern schleichende Veränderung des ISAF-Mandats und der Einsatzvorschriften der ISAF-Truppen statt. Praktisch macht sich das zunächst für die Truppen in den umkämpften Provinzen bemerkbar; das sind bisher in erster Linie britische Soldaten. Grundsätzlich wandelt sich damit aber auch die Rolle der ISAF insgesamt.

Das berührt zumindest indirekt auch die Soldaten der Bundeswehr, selbst wenn sie neben Kabul nur im weitgehend ruhigen Nordafghanistan stationiert sind. Dass es dort bisher noch ruhig bleibt, ist darauf zurückzuführen, dass der Norden überwiegend von Tadschiken und Usbeken bewohnt wird. Sie standen der Herrschaft der Taliban ablehnend gegenüber und haben vermutlich mehrheitlich die "Befreiung" Afghanistans durch die US-Streitkräfte begrüßt. Daraus ergab sich auch eine positive Einstellung zur ISAF. Je mehr die ISAF-Truppen jedoch in die Aufstandsbekämpfung hineingezogen werden, umso problematischer wird ihre Position in der afghanischen Bevölkerung. Denn Aufstandsbekämpfung bedeutet immer auch Krieg gegen Bevölkerungsteile, die mit den Aufständischen sympathisieren. Daran scheiterten in den Jahren 1980 bis 1988 die sowjetischen Streitkräfte, und das wird zunehmend auch zum Desaster des NATO-Einsatzes in Afghanistan.

Deutsche Politiker und Medien aber tun immer noch so, als ginge uns das alles überhaupt nichts an. Dabei können Bundeswehrsoldaten schon heute überall in Afghanistan eingesetzt werden. Und das wird keine bloße Theorie bleiben. Die anderen NATO-Großmächten werden dafür sorgen, dass auch Deutschland in die Verantwortung gezwungen wird. Es gibt auf Dauer keinen menschenfreundlichen Spezialkrieg für die Bundeswehr, während immer nur unsere Verbündeten schießen und Bomben werfen. Und es gibt, eben deshalb, zu allen Bundeswehreinsätzen keine andere Antwort als ein klares, lautes "Nein!"

Knut Mellenthin

SOZ, Juni 2006