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Deutschland bricht Atomwaffensperrvertrag

Die Bundesregierung interessiert sich nicht dafür, ob Israel seine in Deutschland gebauten U-Boote, von denen es zwei sogar als Geschenk erhielt, als Atomwaffen-Träger nutzt. Zu einer entsprechenden Titelgeschichte in der jüngsten Ausgabe des Spiegel erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert dem Hamburger Nachrichtenmagazin: „Die Bundesregierung steht mit der Lieferung von U-Booten an Israel in der Kontinuität ihrer Vorgängerregierungen. Die Lieferung erfolgt ohne Bewaffnung; an Spekulationen über die spätere Bewaffnung beteiligt sich die Bundesregierung nicht.“

Vier U-Boote hat Israel bisher von der HDW-Werft in Kiel geliefert bekommen. Zwei weitere sind bestellt. Pressemeldungen zufolge erwägt die israelische Regierung sogar noch die Anschaffung von drei zusätzlichen U-Booten aus Deutschland. Aus dem Bundeshaushalt wurden die Käufe schon bisher mit mehr als einer Milliarde Euro bezuschusst.

Seit mindestens zehn Jahren wird immer wieder berichtet, dass Israel die deutschen U-Boote mit nuklear bestückten Marschflugkörpern ausgerüstet habe, die eine Reichweite von rund 1500 Kilometern haben sollen. Offiziell wurde das bisher nicht bestätigt. Die israelische Regierung lehnt es generell ab, Auskunft über den Umfang ihres Atomwaffenarsenals zu geben. Schätzungen liegen zwischen 80 und 200 Stück auf Trägersystemen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Spiegel meint indessen, Beweise für die atomare Ausrüstung der U-Boote zu haben.

Mit scheinbarer Überraschung reagierte darauf die SPD. Spiegel Online zitierte am Montag den Bundestagsabgeordneten Rolf Mützenich mit den Worten: „'Bisher wurden die Lieferungen unter anderem damit gerechtfertigt, dass die U-Boote konventionelle Abschreckungssysteme sind.' Daher müsse die Bundesregierung jetzt endlich darüber Auskunft geben, ob die Informationen zutreffen, wonach die von Deutschland gelieferten U-Boote auch mit Trägersystemen ausgerüstet werden können, die atomare Sprengköpfe tragen.“

Dass dies technisch möglich wäre, ist jedoch allgemein bekannt und wird von niemand bestritten: Die Schiffe wurden auf speziellen israelischen Wunsch so gebaut, dass sie neben sechs normalen Torpedorohren auch vier Rohre mit einem größeren Durchmesser haben, durch die Marschflugkörper abgeschossen werden könnten. Mützenich wäre gut beraten, sich über den Sachverhalt und alle Hintergründe des Geschäfts in seiner eigenen Partei zu erkundigen: Die Vereinbarungen über den Bau des vierten und fünften U-Boots wurden ausgehandelt, als Peter Struck Verteidigungsminister und Gerhard Schröder Bundeskanzler war. Dem Spiegel zufolge genehmigte Schröder die Lieferung der beiden Kriegsschiffe an seinem letztem Arbeitstag als Kanzler im November 2005.

Schröders Regierung war auch zuständig für die Einleitung eines weiteren Waffengeschäfts, das Spiegel Online am Montag „enthüllte“, obwohl es seit Jahren bekannt und schon seit 2009 gar nicht mehr aktuell ist: die geplante Lieferung deutscher U-Boote an Pakistan. Es handelt sich dabei zwar um einen anderen Typ als den an Israel gelieferten, doch wollten Experten damals nicht ausschließen, dass Pakistan die Schiffe zu Abschussstationen nuklearer Marschflugkörper umbauen wolle und könne. Vor drei Jahren entschied sich die Regierung in Islamabad jedoch für ein kostengünstigeres französisches Konkurrenzangebot.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. Juni 2012