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Wahlzirkus zuende

Karzai bleibt Präsident Afghanistans. Aber mit noch weniger Einfluss als bisher.

Die für den 7. November geplante Stichwahl findet nicht statt. Hamid Karzai bleibt trotz erwiesener massiver Wahlfälschung und harter Korruptionsvorwürfe Präsident Afghanistans.

Damit fand eine Farce ein vorläufiges Ende, für denen Veranstaltung mindestens 300 Millionen Dollar zusätzlich ins Land gepumpt worden waren. Schon bei der Vorbereitung der Wahl, die nach einer verfassungswidrigen Verschiebung schließlich am 20. August stattfand, wurden Manipulationen bei der Erstellung der Wählerlisten bekannt. In vielen Bezirken, wo die Macht der Regierung nur schwach ist, wurden nicht einmal Wahlbüros eingerichtet. Auch in anderen Gegenden ging nach Berichten ausländischer Beobachter kaum jemand zur Wahl. Die mit Anhängern Karzais besetzte Zentrale Wahlkommission gab die Beteiligung schließlich mit 38,7 Prozent an. Das ist weit weniger als bei der ersten Präsidentenwahl im Oktober 2004, aber vermutlich immer noch geschönt.

Erst einen Monat nach der Wahl, am 16. September, wurde ein vorläufiges Endergebnis bekannt gegeben. Danach hätte Karzai die Wahl mit 54,6 Prozent deutlich vor seinem Hauptkonkurrenten, dem früheren Außenminister Abdullah Abdullah, gewonnen, für den angeblich nur 27,8 Prozent gestimmt hatten. Mit dieser absoluten Mehrheit hätte Karzai sich nicht zur Stichwahl stellen müssen.

Zuvor hatte die Wahlkommission aber schon am 15. September eine Neuauszählung angeordnet, nachdem vor allem die US-Regierung heftigen Druck ausgeübt hatte. Auch UN-Beobachter hatten von Fälschungen und Betrug gesprochen. Als Ergebnis der Überprüfung wurden am 19. Oktober rund eine Million Stimmen für ungültig erklärt und die Ergebnisse von über 200 Wahllokalen annulliert. Nach dieser Korrektur, die keineswegs das gesamte Ausmaß der Fälschungen aufdeckte, reduzierte sich Karzais Anteil auf 49,67 Prozent. Das machte eine Stichwahl erforderlich, deren Termin auf den 7. November festgesetzt wurde.

Indessen argumentierte Abdullah nicht ohne Grund, dass ohne umfassende Änderungen an der Organisierung der Wahl auch im zweiten Gang kein faires, einigermaßen unverfälschtes Ergebnis zu erwarten wäre. Er verlangte deshalb unter anderem eine Neubesetzung der Zentralen Wahlkommission, insbesondere die Ablösung ihres Vorsitzenden Azizullah Ludin. Nachdem er für seine Forderungen kein Entgegenkommen gefunden hatte, erklärte Abdullah schließlich am Sonntag vor Tausenden Anhängern, die aus dem ganzen Land nach Kabul gekommen waren, seinen Rückzug von der Stichwahl. Er verband das mit neuen scharfen Angriffen auf den Präsidenten.

Die erste Reaktion Karzais bestand in der Ankündigung, die Wahl am 7. November werde trotzdem wie geplant stattfinden, nun eben mit ihm als einzigem Kandidaten. Er wurde in dieser Haltung zunächst durch die Wahlkommission unterstützt, deren Vorsitzender behauptete, es gebe überhaupt keinen anderen gesetzlichen Weg als die Durchführung der Stichwahl. Wenige Stunden später jedoch setzte die Kommission am Montag die Wahl ab und erklärte Karzai zum Sieger.

Vorausgegangen war starker Druck aus USA, der durch einen überraschenden Besuch von UN-Generalsekretär Ban Ki-mun in Kabul unterstützt wurde. Im Ergebnis ist Karzai, der den NATO-Regierungen mehrfach mit seiner Kritik an ihrer rücksichtslosen Kriegführung auf die Nerven gegangen war, erheblich geschwächt und wird möglicherweise einer Machtteilung mit Abdullah zustimmen müssen.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 3. November 2009