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NATO in Afghanistan: Freiwillige vor!

Auf einer NATO-Tagung am Wochenende sind die 26 Mitgliedstaaten grundsätzlich übereingekommen, die Truppen in den südafghanischen Kampfzonen um 2.500 Soldaten zu verstärken. Benötigt werden außerdem mehr Hubschrauber und Transportflugzeuge. Am Mittwoch will man sich wieder treffen, um zu beraten, wie man diesen Grundsatzbeschluss in die Tat umsetzen kann.

Freiwillige gesucht für einen Kriegsschauplatz, von dem britische Generäle sagen, es sei dort schlimmer als im Irak und es handle sich für ihre Truppen um die schwersten Kämpfe seit dem Koreakrieg Anfang der 50er Jahre. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer mahnt die Zögernden: "Diejenigen Verbündeten, die in Afghanistan weniger tun, sollten nachdenken, ob sie mehr tun können. Es gibt bestimmt eine Reihe von Bündnispartner, die mehr tun könnten." - Beklommenes Schweigen in der Runde, und viele Blicke richten sich auf die deutschen Vertreter.

Sehr groß ist der Kreis derjenigen nicht, die als Lieferanten der verlangten 2.500 zusätzlichen Soldaten in Frage kommen: Neben Deutschland sind es Frankreich, Italien und Spanien. Keiner dieser Staaten zeigt Neigung, seine Armeeangehörigen freiwillig in die Kampfzonen zu schicken. Aber es ist absehbar nur eine Frage der Zeit, wie lange sich Bundesregierung und Bundeswehr noch der Forderung der anderen NATO-Partner nach gleichmäßiger Verteilung der Kriegslasten entziehen können.

Die deutschen Parteien diskutieren das Problem vorrangig unter dem Aspekt der Gefährdung deutscher Soldaten. Gewiss, die Kampfeinsätze der NATO im Süden Afghanistans bedeuten ein erhöhtes Risiko für die Truppen. Vor allem aber sind sie Teil einer ebenso verbrecherischen wie kontraproduktiven Kriegführung. Das eigentliche Thema wäre also, wie lange Deutschland diese noch unterstützen will. Britische und kanadische NATO-Truppen führen in den südafghanischen Provinzen Helmand und Kandahar Krieg gegen die Bevölkerung, um die Basis des Widerstandes zu zerstören. Von Kampfflugzeugen, Hubschraubern und Artillerie wird ein geradezu verschwenderischer Gebrauch gemacht, weil man die eigenen Verluste möglichst gering halten will. Entsprechend zahlreich sind die Opfer unter der Zivilbevölkerung. Vor der laufenden "Operation Medusa" in der Provinz Kandahar hat die NATO Flugblätter abgeworfen, mit denen die Bevölkerung aufgefordert wurde, ihre Dörfer zu verlassen, um diese dann guten Gewissens in Grund und Boden bomben zu können. In Afghanistan wächst die Zahl der Flüchtlinge, die ohne Perspektive in primitiven Zeltlagern leben. Deutsche Soldaten sind heute schon Mittäter. Sie müssen abgezogen werden, bevor sie auch noch selbst zu Mördern werden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 11. September 2006