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Massaker von Kundus: Berlin bleibt stur

Das zynische Spiel der deutschen Bundesregierung um das Massaker von Kundus geht weiter. Nachdem sich Verteidigungsminister Franz Josef Jung noch am Sonntag absolut sicher gegeben hatte, dass die beim Abwurf zweier 500-Pfund-Bomben getöteten Afghanen ausschließlich bewaffnete Aufständische gewesen seien, formulierte er am Montag etwas vorsichtiger, „dass der überwiegende Anteil Taliban gewesen sind“. Gleichzeitig wiederholte er, dass der vom deutschen Oberst Georg Klein angeordnete Luftangriff „militärisch notwendig und richtig“ gewesen sei. „Ich stehe eindeutig hinter der Entscheidung unseres Kommandeurs“, zitierte die Nachrichtenagentur AP den Minister am Montag.

Während Jung seit Tagen bloße Vermutungen und Glaubensbekenntnisse von sich gibt, polemisieren Regierungspolitiker gegen die Verbreitung von faktengestützten Nachrichten, die im Widerspruch zur offiziellen Version stehen. Er warne davor, „voreilige Schlüsse zu ziehen“, sagte der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Christian Schmidt, am Montag. Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Eckart von Klaeden (CDU), rechtfertigte im NDR die Nachrichtenpolitik der Regierung mit dem Satz: „Ohne gesicherte Faktenlage zu einem Urteil zu kommen, ist im klassischen Sinne ein Vorurteil.“ - Als Kritik an seinem Parteifreund Jung hatte er das offenbar nicht gemeint.

Unterdessen kriegt die Bundesregierung Hilfe von afghanischer Seite. In einem Bericht mehrerer regionaler Funktionäre an Präsident Hamid Karsai wird behauptet, es habe lediglich 56 Tote gegeben und diese hätten ausnahmslos „zu den Taliban und ihren Verbündeten gehört“. Unterschrieben haben den Brief, über den Spiegel Online am Montag berichtete, unter anderem der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammad Omar, der Polizeichef der Provinz und der Vorsitzende des Provinzrates.

Als unparteiisch und sachlich zuverlässig kann dieser Bericht jedoch nicht gelten. Omar hatte am Wochenende der örtlichen Bevölkerung die Schuld an dem Angriff und seinen Folgen gegeben. Gegenüber der britischen Nachrichtenagentur Reuters sagte er: „Die Dorfbewohner haben den Preis dafür bezahlt, dass sie den Aufständischen helfen und ihnen Unterschlupf gewähren.“ - Der Vorsitzende des Provinzrates, Ahmadullah Wardak, äußerte seine Genugtuung über das Massaker sogar im Gespräch mit dem Oberkommandierenden der NATO-Truppen in Afghanistan, General Stanley McChrystal: „Wenn wir mehr solche Operationen wie diese durchführen, wird die Stabilität nach Kundus kommen. Wenn Leute nicht in Frieden und Harmonie leben wollen, ist das nicht unsere Schuld.“ (Washington Post, 6.9.)

Offrensichtlich handelt es sich um Behördenvertreter, die es ganz in Ordnung finden, dass der aufsässigen Dorfbevölkerung eine blutige Lektion erteilt wurde. Der Verdacht liegt nahe, dass in diesen Kreisen auch die „Informanten“ zu finden sind, die dem Bundeswehroberst vor dem Angriff bestätigten, dass sich ausschließlich Taliban im „Zielgebiet“ befänden.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 8. September 2009