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Krieg ohne Ende

Deutschland will noch mehr Soldaten nach Afghanistan schicken. Konfuse Debatten in der Linken.

Die NATO-Besatzungstruppen in Afghanistan haben am Wochenende die schwersten Verluste seit August 2008 erlitten. Gleichzeitig bereiten Deutschlands staatstragende Parteien eine Verstärkung der im Nordosten stationierten Bundeswehrsoldaten von 4500 auf 7000 vor. In der Partei Die Linke gibt es erste Anzeichen für die Aufweichung der Forderung nach einem sofortigen, vollständigen Abzug des deutschen Militärs. Der Linken-Politiker Bodo Ramelow, Bundestagsabgeordneter und Spitzenkandidat bei der thüringischen Landtagswahl, offenbarte in der Welt am Sonntag: „Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam.“ Demgegenüber betonte Oskar Lafontaine, einer der beiden Parteivorsitzenden, die Linke halte an ihrer bisherigen Forderung fest.

Acht US-Soldaten und zwei Angehörige der afghanischen Streitkräfte wurden am Sonnabend getötet, als mehrere hundert Aufständische zwei kleine Stützpunkte in der Provinz Nuristan angriffen. Nach Behördenangaben wurden 15 afghanische Polizisten und Soldaten gefangen genommen, darunter der Polizeichef des Bezirks und sein Stellvertreter. Zuvor waren am Freitagabend zwei US-Soldaten von einem afghanischen Polizisten erschossen worden, der mit ihnen auf einer Patrouille war. Bis zum Sonntag starben in diesem Jahr 394 Soldaten der Besatzungstruppen, darunter 236 Amerikaner. Das sind schon jetzt die höchsten Zahlen seit Beginn des Krieges vor acht Jahren.

Die jüngsten Verluste sind für die NATO die schwersten seit August vorigen Jahres. Damals waren französische Soldaten in einen Hinterhalt geraten; zehn von ihnen wurden getötet. Am 13. Juli 2008 starben neun US-Soldaten, als 200 Aufständische ihren Stützpunkt angriffen.

Der Oberkommandierende aller NATO-Truppen in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, strebt eine Verstärkung um mindestens 40.000 Mann an. Derzeit sind dort 100.000 NATO-Soldaten stationiert. Falls die Aufstockung nicht innerhalb der nächsten zwölf Monate erfolgt, so die düstere Prognose des Generals, könne ein Scheitern der Militärintervention nicht ausgeschlossen werden. Die zusätzlichen Truppen sollen vor allem im Norden und Westen des Landes eingesetzt werden, die vor ein-zwei Jahren noch als relativ ruhig galten, aber inzwischen eine kontinuierliche Aufstandstätigkeit aufweisen.

In den USA ist eine Truppenverstärkung aber im Moment unpopulär. Das hängt zum einen damit zusammen, dass mittlerweile die Mehrheit der US-Bevölkerung den Krieg in Afghanistan ablehnt. Ein weiterer gewichtiger Grund ist, dass die Führungen beider großen Parteien sich auf eine baldige militärische Konfrontation mit Iran orientieren und daher gegenüber einer Eskalation auf dem Kriegsschauplatz Afghanistan zurückhaltend taktieren.

Das schließt jedoch Forderungen an die NATO-Partner, mehr Soldaten zu entsenden, keineswegs aus. Der britische Generalstabschef David Richards hat am Wochenende vorauseilende Zustimmung signalisiert und die aus dem Vietnamkrieg bekannte Domino-Theorie bemüht: Ein Rückzug der westlichen Allianz aus Afghanistan würde islamistische Aufständische nicht nur in der gesamten Region, sondern auch weltweit beflügeln. Der deutsche Bundestag peilt eine Verstärkung auf 7000 Soldaten an, aber Spiegel Online argwöhnt schon, dass sich die USA damit nicht zufrieden geben werden. Alte und neue Bundesregierung sind sich einig, dass deutsche Soldaten so lange in Afghanistan bleiben müssen, bis in Washington etwas anderes beschlossen wird.

Knut Mellenthin

Junge Welt, 5. Oktober 2009